Bogenhausen:Am eigenen Leib erfahren

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Medizinische Anforderungen erfüllt. Doch "alle sind in einem Maß überlastet, dass Versäumnisse und Irrtümer unvermeidlich werden", verweist der 80-jährige Gerd Bergmann auf eigene Erfahrungen. (Foto: Catherina Hess)

Bei einem Krankenhausaufenthalt erlebt Gerd Bergmann offenbar gravierende Irrtümer und Versäumnisse. Der 80-Jährige will sich aber nicht beschweren: Er fordert für Ärzte und Pflegepersonal bessere Arbeitsbedingungen

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Es war ein ungewöhnlicher Antrag, für den Gerd Bergmann bei der Bürgerversammlung im Oktober 2018 eine große Mehrheit bekam. Der 80-Jährige aus dem Arabellapark - und mit ihm etwa 250 andere Bogenhauser - forderten die "Verbesserung der Arbeitsverhältnisse im Klinikum". Mit Verspätung ist jetzt die Reaktion der Stadtkämmerei bei Bergmann eingetrudelt, die wiederum eine Stellungnahme der München Klinik eingeholt hat, zu deren vier Standorten das Klinikum Bogenhausen gehört. Tenor: Das Medizinkonzept trägt zur bestmöglichen Versorgung der Patienten bei und verbessert die Arbeitsbedingungen des Personals. Mit diesen Informationen ist es für Gerd Bergmann aber nicht getan. Ihm geht es um konkrete Schritte.

Erfahren hat Bergmann das, als er mit schweren Herzrhythmusstörungen in die Notaufnahme ging und fünf Tage später einen Herzschrittmacher eingesetzt bekam. In den neun Tagen, die er in der Klinik verbrachte, sei er viermal verlegt worden, der Entlassungsbericht sei an einen fremden Arzt, die Rechnung an eine fremde Krankenkasse gegangen, Fehler, die erst auf seine Intervention hin und da erst im zweiten Anlauf korrigiert worden seien.

"Aber mein Anliegen ist nicht die Beschwerde", sagt Gerd Bergmann, der von gestressten Ärzten und Pflegemitarbeitern berichtet. "Alle sind in einem Maß überlastet, dass Versäumnisse und Irrtümer unvermeidlich werden." Er habe zwar immer vom Pflegenotstand gelesen, "aber das am eigenen Körper zu erleben, ist eine ganz andere Angelegenheit". Das Erlebnis beschäftigte ihn so stark, dass er zwei Tage später seinen Antrag bei der Bürgerversammlung stellte.

Die München Klinik verweist in ihrer Reaktion auf ihr Medizinkonzept, zu dem auch Sanierung und Erweiterung des Klinikums Bogenhausen in den kommenden fünf Jahren gehörten. Dadurch würden kleinere Einheiten geschaffen und Stationen und Räume besser an die Arbeitsabläufe angepasst, die Wege würden kürzer. Außerdem zählen die Vertreter der München Klinik auf, was sie tun, um zusätzliches Personal zu finden und vorhandene Kräfte zu halten: etwa Personalunterkünfte, Hilfe bei der Wohnungssuche, flexible Arbeitszeitmodelle, Fortbildungen, die München-Zulage und Werbeprämien für neue Mitarbeiter. Pflegekräfte würden von anderen Arbeiten entlastet, damit sie sich auf ihre Kerntätigkeit konzentrieren könnten.

Gerd Bergmann ist mit der Auskunft nicht zufrieden: "Das ist doch keine Antwort", sagt er. Der ehemalige Werbeleiter vermisst "eine Kundenorientierung" im Krankenhaus. Die medizinische Anforderung möge ja erfüllt sein, aber man sei grundsätzlich verunsichert, wenn man knapp "am Tod entlanggeschrammt" sei, man sei aufgeregt, traurig, besorgt. Das Personal, so fordert er sinngemäß, müsse die Zeit haben, auch auf die Seelenlage der Patienten einzugehen. "Da geht es doch nicht um Kanalisationsreinigung."

© SZ vom 25.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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