Betreuung:Unerwarteter Kurswechsel

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Der Integrationskindergarten Allach stellt nächstes Jahr sein Konzept auf eine rein heilpädagogische Förderung um. Das bringt einige Eltern und Angestellte in die Bredouille: Die einen müssen einen neuen Platz für ihre Kinder finden, die anderen benötigen eine spezielle Ausbildung

Von Ellen Draxel, Allach/Untermenzing

Der Integrationskindergarten Allach ändert sein Konzept. Die Einrichtung, bislang für alle Kinder offen, stellt von September 2018 an auf eine rein heilpädagogische Förderung um. Das hat der Vorstand des Trägers, des Vereins für heilpädagogische Aufgaben, im Oktober beschlossen.

Für die Eltern ist es eine unerwartete Wendung. "Wir machen uns jetzt Sorgen um die Betreuung unserer Kinder", sagt die stellvertretende Elternbeiratsvorsitzende Bettina Wilde. Denn nur ein Teil der zu betreuenden Mädchen und Jungen hat tatsächlichen Förderbedarf. "Betroffen sind die Familien von acht Kindern im Vorschuljahr sowie von zehn jüngeren Kindern, die dadurch ihren Kindergartenplatz verlieren", schreibt der Elternbeirat an den Bezirksausschuss Allach-Untermenzing (BA). Wilde hat einen Sohn, der kommendes Jahr in die Vorschulgruppe käme. Die Mutter hegt nun die Befürchtung, dass ihm, ebenso wie seinen gleichaltrigen Freunden im Kindergarten, die zur Vorbereitung auf den Schuleintritt notwendige Förderung vorenthalten werden könnte. Sie hat ihn deshalb bereits in anderen Einrichtungen vorgemerkt, "mal sehen, was daraus wird".

Noch im Frühjahr, schreibt der Elternbeirat, sei "keine Rede" von der vollständigen Umstellung auf Heilpädagogik gewesen. Deshalb hätten viele Eltern ihre Drei- und Vierjährigen "vertrauensvoll" in der Einrichtung an der Eversbuschstraße 156 angemeldet, da man annahm, diese würde dauerhaft ein Integrationskindergarten bleiben. Auch Wildes jüngerer Sohn zählt dazu. Doch die Kinder werden nun wohl, bleibt die Konzeptänderung wie beschlossen, woanders unterkommen müssen.

Folgen hat die neue Richtung auch für das Personal. "Zwei Erzieherinnen, die momentan in Teilzeit arbeiten, müssen sich entscheiden, entweder in Vollzeit weiter beschäftigt zu werden oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren", wissen die Elternvertreter. Und die Kinderpflegerinnen können nur bleiben, wenn sie eine Fortbildung für die Erziehung im heilpädagogischen Bereich machen. Wem aber der Verlust seiner Anstellung drohe, der werde sich angesichts der enormen Nachfrage nach diesem Beruf vermutlich schnellstens nach einem neuen Arbeitgeber umsehen, mutmaßt der Elternbeirat. Bettina Wilde ist Biologin, sie könnte, wenn sie tagsüber ihre Kinder selbst betreuen müsste, vielleicht abends und nachts im Home-Office arbeiten. "Aber diese Möglichkeit hat nicht jeder - was ist mit Müttern und Vätern, deren Jobs an Öffnungszeiten gebunden sind? Ihnen droht die Arbeitslosigkeit."

Dass im Viertel Kindergartenplätze rar sind, macht die Sache nicht einfacher. Im ganzen Stadtbezirk wird nachverdichtet, junge Familien ziehen zu, die Kindergarten-Versorgung liegt in Allach-Untermenzing bei 81 Prozent im Vergleich zu 91 Prozent in der Gesamtstadt. Gleichzeitig müssen Einrichtungen wie etwa die der Pfarrei Maria Himmelfahrt Gruppen schließen, weil eine Gruppenleitung fehlt. Oder es müssen Öffnungszeiten aufgrund von Personalmangel gekürzt werden wie beim Sternengarten, der Kita der Epiphaniaskirche. Dem Integrationskindergarten "Spielwerkstatt" wurden seine Räumlichkeiten an der Augustenfelder Straße gekündigt, weil das Haus abgerissen wird, der Mietvertrag läuft noch bis August 2020. Laut CSU-Stadträtin und BA-Chefin Heike Kainz besteht für diese Einrichtung nach langer Suche aber zumindest inzwischen die "leise Chance", woanders unterzukommen - an der Eversbuschstraße 155. Sicher ist das jedoch bislang nicht.

Laut dem Träger des Allacher Integrationskindergartens ist die "schlechte Finanzierung" klassischer Kindergartenplätze an der Misere schuld. "Der Integrationskindergarten hat sich in 15 Jahren nie selbst getragen, das Defizit liegt inzwischen im mittleren fünfstelligen Bereich", erklärt der Geschäftsführer des Vereins für heilpädagogische Aufgaben, Christoph Duschl.

Um die Einrichtung wie gehabt weiterlaufen zu lassen, müssten alle anderen Angebote die Kosten für den Betrieb des Kindergartens permanent mittragen, "und das geht nicht". So üppig sei deren Budget auch wieder nicht. Warum, fragen sich die Eltern, wurde dann nicht schon früher etwas gegen die finanzielle Schieflage unternommen? Die Gebühren erhöht, die Öffnungszeiten verlängert, die Eltern eingebunden? "Wir hätten mit Sicherheit geholfen, sind aber nie gefragt worden", sagt Bettina Wilde. "Weil damals jemand anderer Geschäftsführer war", meint Duschl. Im Übrigen sei der Verein ein Dienstleister, der bis auf diese eine Kindergarten-Ausnahme ausschließlich im heilpädagogischen Bereich tätig sei. Insofern sei die geplante Umstellung nur konsequent. "Es ist bitter, und die Eltern und Kinder sind die Leidtragenden. Aber wir bemühen uns, das sehr fair zu handhaben." Der Verein habe die Eltern von Anfang an mit Infoschreiben und Elternabenden mit eingebunden und die Schließungsfrist bis September 2018 hinausgeschoben. Damit den Familien noch genug Zeit bleibe, neue Kindergartenplätze zu finden.

Der Allacher Bezirksausschuss will dennoch den Träger bitten, seine Entscheidung "noch einmal zu überdenken". Parallel soll das Referat für Bildung und Sport bei der Suche nach Alternativplätzen um Unterstützung gebeten werden.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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