Berg am Laim:Schlafende Schönheit

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Lokalpolitiker wollen, dass die Rhenania-Villa im I-Campus öffentlich zugänglich wird und lehnen daher eine Büronutzung ab. Beim Eigentümer, der Firma Rohde und Schwarz, zeigt man sich für Alternativen wie Gastronomie und Kultur durchaus aufgeschlossen

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

Die Buchstaben haben die Jahre überdauert: Rhenania steht immer noch über dem zugemauerten Fenster im ersten Stock und der zugenagelten Eingangstür der alten Villa an der Friedenstraße 22 hinter dem Ostbahnhof. Nur die wenigsten Berg am Laimer wissen, dass die denkmalgeschützte Villa einst der Hauptsitz und das Lagerhaus einer Transportfirma war. Der Hobby-Historiker Helmut Kolmeder, früher für die SPD im Bezirksausschuss, kann sich noch daran erinnern. Zur "Zwischennutzung" diente die Villa als "Loft", dann für Party- und Musikveranstaltungen. Dies war für eine kurze Spanne gedacht, dauerte aber viele Jahre, während denen um das neue Konzept fürs Werksviertel gerungen wurde. Durch Grundstücks-Umlegungen innerhalb des Areals gelangte die Villa in Besitz des weltweit agierenden Technologiekonzerns Rohde und Schwarz. Dieser will das einstige Schmuckstück nun herrichten als Herz seines neuen Büroareals I-Campus. Auch in die Villa sollen nach derzeitigem Stand Büros einziehen. Das aber will der Bezirksausschuss Berg am Laim verhindern.

Der Vorsitzende Robert Kulzer (SPD) kritisierte, dass ein Bürogebäude nicht öffentlich zugänglich, diese bauliche Reminiszenz an die Vergangenheit somit nicht für die Bürger "erlebbar" wäre. Der zweigeschossige, neoklassizistische Walmdachbau mit Merkurrelief im Bogenfeld über dem Eingang und Pilastergliederung, erbaut um 1920, wäre dann nur von außen zu bewundern. Im Wettbewerb für diesen Bauabschnitt, das Entree zum I-Campus, den das Münchner Büro Henn Architekten gewonnen hat, war noch die Rede von Kultur oder Gastronomie gewesen, die Öffentlichkeit "solle etwas davon haben", hieß es.

Blick in eine leuchtend helle Zukunft: Rund um die Rhenania-Villa herum sollen sich einmal die anderen Gebäude des I-Campus, den Rohde und Schwarz an der Friedenstraße hinter dem Ostbahnhof plant, anordnen. (Foto: Simulation: R&S Immobilienmanagement GmbH)

"Irgendwas mit Kultur" - das wäre auch dem Bezirksausschuss am liebsten. Das aber ist nicht einfach, denn Berg am Laim bekommt sein Kulturbürgerhaus am Michaelianger im Osten des Stadtteils. Auch im Werksviertel wird es reichlich Kultur geben, man denke nur an den geplanten Konzertsaal, an die White Box oder die Musicalbühne im alten Pfanni-Kartoffelspeicher. Finanzierungswünsche ans Kulturreferat heranzutragen, noch dazu ohne ein genaues Konzept, wollte daher keiner. Doch die Mitglieder hegten sehr wohl die Hoffnung, dass das Kulturreferat dem Eigentümer Tipps geben könnte für potenzielle Nutzer, etwa eine Galerie. An die Rohde & Schwarz Immobilienmanagement GmbH will der Bezirksausschuss appellieren, sich für Alternativen zu den Büros offen zu zeigen - und sei es auch "nur" ein Restaurant oder Café. "Rohde und Schwarz muss mitspielen, das ist die Grundvoraussetzung", erklärte Kulzer, fügte aber an: "Das können die sich schon auch leisten." Um dem Unternehmen die Dringlichkeit des Wunsches klarzumachen, lehnte der Bezirksausschuss Büros in der Villa ab.

Dabei wäre die Rohde & Schwarz Immobilien GmbH laut Moritz Eulenberg aus der Projektentwicklung durchaus bereit, "mitzuspielen", allein um den künftigen Nutzern der umliegenden Büros ein attraktives Umfeld bieten zu können und sie so zu begeisterten Dauermietern zu machen, denn Rohde und Schwarz will die neuen Immobilien in seinem Bestand behalten. Doch die Villa, mit deren Umbau sich das Münchner Büro Landau und Kindelbacher auseinandersetze, sei nicht behindertengerecht und barrierefrei zugänglich und zugleich habe der Denkmalschutz den Einbau eines Aufzuges in dem Anwesen abgelehnt. Da sei es nur verständlich, dass Gastronomen, aber auch so mancher Flagship-Store, mit dem man im Gespräch war, abgewunken hat: Wer wolle schon alle Waren oder Speisen ins Hochparterre schleppen lassen?

Hier wartet Arbeit: Unter der Zwischennutzung litt die neoklassizistische Villa, die jetzt erst wieder denkmalgerecht instand gesetzt werden muss. (Foto: Florian Peljak)

Doch Eulenberg sagt, man habe noch Zeit, durch die intensive Zwischennutzung sei das Haus schon arg ramponiert. Es denkmalgerecht herzustellen, werde bis Mitte 2022 dauern. Vielleicht melde sich ein Interessent, mit dem auch der Bezirksausschuss leben könne. Eine Nutzung müsse sich freilich für den Eigentümer schon "rechnen", man wolle aber gerade hier "nicht auf Biegen und Brechen den letzten Euro rausholen", so Eulenberg.

Er selbst würde sich auch über Gastronomie freuen: Insgesamt entstünden im gesamten I-Campus mit seinen Häusern Alpha, Beta und Gamma 3000 neue Arbeitsplätze: "Die Leute müsse ja irgendwo was essen." Keiner wolle, dass um 18 Uhr alle heimgehen und das Gelände dann völlig tot sei. Daher baue Rohde und Schwarz beispielsweise auch wieder eine Boulderwelt in seinem benachbarten Projekt "Plaza".

Eulenberg versprach, dass Rohde und Schwarz dem Bezirksausschuss noch im Februar alle seine Pläne hinterm Ostbahnhof vorstellen werde. Dazu gehören auch neue Wegebeziehungen in dem bisher abgeschlossenen Areal.

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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