Berg am Laim:Neue Mitte auf der Wendeschleife

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Der "Grüne Markt" ist der einzige nennenswerte Platz, den Berg am Laim zu bieten hat. Bis 1968 quietschte hier die Tram, dann lag er brach und wurde nun zum Festplatz umgestaltet

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

Manche Städte oder Viertel reden etwas altertümlich von ihrer "guten Stube", wenn sie ihren zentralen Platz meinen. Der "Grüne Markt" ist, bis die neue Mitte des Werksviertels fertig ist, der einzig nennenswerte Platz, den Berg am Laim aufzubieten hat. Er ist ein würdiges Entree für den dahinter liegenden Behrpark. Freitags, am Markttag, könnte man ihn auch als Vorratskammer des Viertels bezeichnen. Zum 1. Mai, beim Straßenfest im September, beim Kinderfest des Bezirksausschusses und beim Christkindlmarkt wird er zum Festsaal. Im Alltag ist er leidlich gemütlich für ein kleines Schwätzchen, ein Eis vom "Pastello" gegenüber oder eine Pizza im Pappdeckel.

Allerdings zieht es ein wenig in dieser guten Stube: Der Platz ist nicht, wie sich das gehörte, rundum eingefasst von Fassaden. Seine Westflanke ist ganz offen, da verläuft, von vier neu gepflanzten Ahornbäumen nur notdürftig kaschiert, die verkehrsreiche Baumkirchner Straße. Gen Norden schließt sich das Kirchengelände mit Pfarrsaal und Kindergarten an. Dessen Mauer in hellem Ziegelrot bildet einen nicht gerade harmonischen Kontrapunkt zu den Backsteinen, die auf der Fläche verlegt wurden. So ist es vielleicht besser, man hat die grelle Mauer im Rücken und schaut gen Süden zum Blumenladen und zum Maibaum mit seinen Tafeln. Gen Osten ist der Platz am schönsten: Da lockt der Park, dessen Eingang noch die renovierten Reste eines schmiedeeisernen Zaunes zieren.

Die Freude vieler Berg am Laimer über diesen insgesamt wohl gerade mal so durchschnittlichen Platz, zu dem sicherlich Architekturfans pilgern, erklärt sich aus dem Zustand vor seiner Gestaltung. Der Vorher-Nachher-Kontrast ist groß. Vorher diente er nämlich außer dem Markttag nur als Freiluft-Garage, mit Schlaglöchern und holprigem Untergrund: "Immer ein Provisorium", sagt Helmut Kolmeder, Hobby-Stadtteilhistoriker und früher viele Jahre Mitglied des Bezirksausschusses.

Dass die Fläche brach geblieben war, hat Berg am Laim dem Nahverkehr zu verdanken. Daran erinnert sich Kolmeder: "Es war die Trambahnwendeschleife." Stadtwerke-Sprecherin Bettinas Hess weiß es genau: "Die alte Endstation Berg-am-Laim in der Baumkirchner Straße bestand von 15. September 1926 bis 21. April 1968. An diesem Tag wurde die neue Strecke in der Kreillerstraße bis zur Schleife St.-Veit-Straße eröffnet. Fuhr dort vorher die Linie 1 (seit 1935, davor die Linie 31), war es nun die Linie 19 (später dann die Linien 4 und 14, seit 1984 wieder die 19)."

Kolmeder erinnert sich auch noch, dass sich auf dem Platz vor mehr als 40 Jahren der Freitags-Markt nur zögerlich etablierte. Die Stadt musste Standlbesitzern schon sehr gut zureden, den damals noch unlukrativen Standort zu beschicken. Doch Aktivisten aus der Arge Ökologie wie Heinz Brachvogel knüpften haltbare Kontakte zu Bio-Herstellern, weshalb der Wochenmarkt im Volksmund auch bald als der "Grüne Markt" gepriesen wurde.

Dass die öde Asphalt-Wüste immer wieder auch in einen Festplatz verwandelt wurde, ist dem agilen Bürgerkreis zu verdanken, der sich 1982 gründete - hauptsächlich, um die Bebauung des kleinen Parks der Behr-Villa mit "Hochhäusern" zu verhindern. Jedenfalls nach damaligem Maßstab hätten es Hochhäuser sein sollen: Bis zu zehn Stockwerke waren vorgesehen. Die Maschinenfabrik Behr, die hier heute noch hochwertige Spezial-Teile selbst für die Nutzung im Weltraum anfertigt, wollte erweitern und investieren und dies mit dem Baurecht finanzieren, erzählt Kolmeder. Georg Kronawitter (SPD) versprach den Berg am Laimern in seinem zweiten OB-Wahlkampf, den Park hinterm Platz zu retten. Er hielt Wort, es kam zu einem Grundstückstausch, die Frischluftschneise blieb und wurde zum Hort der Naherholung und zuweilen auch des Freilufttheaters, unter der Regie des Bürgerkreises.

Dieser hat sich zum Feiern auf dem Platz als Sonnen- und Regenschutz ein großes rundes Zelt angeschafft, erzählt Hildegard Steffen, Gründungsmitglied und inzwischen die Vorsitzende. Dieses Zelt wurde auch bei der Umgestaltung, die vor wenigen Monaten abgeschlossen wurde, zum Maßstab genommen.

So groß wie das Zelt hat Florian Hochstätter vom städtischen Baureferat den Kreis aus Pflaster- und Backsteinen geplant. Letztere sollen an den Berg am Laimer Lehm und die Ziegeleien erinnern. Rundum sind zwölf Steine durch metallene "Messpunkte" ersetzt: Diese kann der Bürgerkreis herausnehmen und sein Zelt sicher verankern.

Zuerst allerdings habe das Baureferat den Maibaum ins Zentrum des Platzes rücken und so zeigen wollen, dass hier nun die Mitte des Stadtteils ist. "Ein großes Entgegenkommen" sei es gewesen, das Traditionszeichen zu lassen, wo es ist, am Rand des heutigen Platzes, gleich im Anschluss an eine etwas schräg stehende Reihe großer, prägender Bäume. "Ein Linienbiotop" sei das, erklärt Hochstätter: Die Bäume markieren den früheren Weg für Fußgänger und Fuhrwerke von Berg am Laim hinüber nach Zamdorf. Auch auf dem neu gestalteten Platz finden sich in der Pflanzfläche Relikte dieser Schatten spendenden Bepflanzung aus der guten alten Zeit.

Aus alten Zeiten stammt auch der Trinkwasserbrunnen am Rand des Platzes. Der Bertschbrunnen, erfunden 1906 vom städtischen Baurat Wilhelm Bertsch - dem in Berg am Laim eine Straße gewidmet ist - wurde aus den Relikten mehrerer alter solcher Brunnen zusammengebastelt. Oben können die Menschen und unten die Zamperl das gute Münchner Trinkwasser genießen. Nicht verwirklicht wurde die Anregung, eine Tafel aufzustellen, die an die Historie des Platzes erinnert. So haben sie nun Platz, die Kinder auf ihren Dreirädern, die querenden Radler, die Flaneure, die Eis-Genießer und Zeitungsleser. Der Bürgerkreis will sich laut Steffen dafür einsetzen, dass die Stadt hier einen "offenen Bücherschrank" genehmigt, das brächte noch mehr Lesefutter.

Noch mehr Leben auf dem Platz könnte es geben, wenn der Traum des Bezirksausschusses wahr wird und die Fläche südlich des Parks zum Standort für das ersehnte Kulturbürgerhaus würde. Einen anderen Wunsch hat die Stadt den Berg am Laimern unlängst erfüllt: Der offiziell bisher namenlose Platz heißt nun wirklich "Grüner Markt". Ein Schild neben den zentralen Sitzbänken zeugt davon. Da waren die "Schwarzen" im Stadtteilgremium kurz ein wenig neidisch - doch auch sie sahen ein, dass die gute Stube, die bald auch zum Entrée für den Kulturtempel werden könnte, einen guten Namen braucht.

© SZ vom 29.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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