Benefizkonzert:Liebesbotschaften im Herkulessaal

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Das BR-Symphonieorchester spielt ein furioses Konzert zum 70-jährigen Jubiläum des SZ-Adventskalenders

Von Barbara Doll

Es gibt Konzerte, bei denen bricht die Begeisterung aus den Zuhörern schon heraus, bevor der letzte Ton verklungen ist. "Toll!", "Stark!", "Unglaublich!", wird da halb geflüstert, halb gerufen. Das Festkonzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks zum 70-jährigen Jubiläum des SZ-Adventskalenders ist so ein Konzert. Das liegt an den Stücken, die allesamt ziemliche Knaller sind - es ist ja auch ein Silvester-Programm -, das liegt aber in erster Linie an diesem Orchester, das zu hören stets aufs Neue beglückt. Die Freude an der Musik ist an diesem Abend vielleicht auch deshalb so groß, weil die Zuhörer mit ihrer Anwesenheit anderen Menschen zur Freude an der Musik verhelfen.

150 Millionen Euro hat der SZ-Adventskalender in 69 Jahren insgesamt eingenommen, und auch die Einnahmen aus diesem Konzert kommen zu 100 Prozent dem Adventskalender und dessen Aktion "Musik für alle Kinder" zugute. Damit werden Kindern aus bedürftigen Familien Musikunterricht und -projekte ermöglicht. Es werden Unterrichtsstunden bezahlt, Instrumente gekauft, erste kleine Konzertreisen finanziert. Denn viele Familien in München und dem Umland können sich keinen Musikunterricht für ihre Kinder leisten. Seit 2009 gibt es "Musik für alle Kinder"; es entstand als gemeinsames Projekt des SZ-Spendenhilfswerks und des BR-Symphonieorchesters. Zwei Menschen haben es aus Liebe zur Musik und zu den Menschen auf den Weg gebracht: Mariss Jansons, Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters, und Christian Krügel, der im April 2018 verstorbene Lokalchef der Süddeutschen Zeitung. Und so ist das Benefizkonzert im Herkulessaal auch dem Gedenken an Christian Krügel gewidmet, wie SZ-Chefredakteur Kurt Kister in seiner Begrüßung sagt.

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(Foto: Catherina Hess)

150 Millionen Euro hat der SZ-Adventskalender für gute Werke in 69 Jahren eingenommen. Zum 70-jährigen Bestehen blickt eine digitale Sonderausgabe zurück, erklärt, wie das Spenden-Hilfswerk funktioniert, und bündelt berührende Geschichten aus München und dem Umland. Erhältlich im Digitalkiosk oder unter: sz.de/sz-adventskalender

Wie nah Freude und Schmerz beieinander liegen, wie schnell aus strahlender Helligkeit tiefstes Dunkel werden kann, das zeigt sich im Konzert etwa im zweiten Satz aus Mozarts d-Moll-Klavierkonzert KV 466. Mit kindlicher Verspieltheit entfaltet der südkoreanische Pianist Seong-Jin Cho die Idylle der Romanze, um dann mit umso härterem Anschlag den finsteren Abgrund im Mittelteil zu beschwören. Ein kammermusikalisch zarter Mozart ist das nicht, schon aufgrund der großen Besetzung, sondern ein durchaus dramatischer. Das sind gute Voraussetzungen für den dritten Satz aus Tschaikowskys erstem Klavierkonzert: Seong-Jin Cho zeigt einen kräftigen Zugriff, die Streicher beeindrucken mit schönstem Schmelz - wie schon anfangs in Leonard Bernsteins Ouvertüre zu "Candide". In hinreißendem Breitwandsound lässt Mariss Jansons sie mit seinem Orchester durch den Herkulessaal fegen, nie lärmend, nie platt. Die blitzschnellen Wechsel zwischen zarten und wilden Stellen sind famos; auch darin zeigt sich die Qualität dieses Orchesters. Erholung bringt Debussys sanft wogendes "Clair de lune", bevor Elgars "Wild bears" einen rasanten Tanz hinlegen. In Sibelius' "Valse triste" scheinen die Streicher jeden einzelnen Ton aus ihren Instrumenten heraus zu streicheln, und Brahms' Ungarischen Tanz Nr. 5 spielt das Orchester schmissig, kokett, hochpräzise. Neben der Bühne fährt ein Kamera-Arm auf und ab, er bringt noch mehr Bewegung ins Spiel, besonders in Yūzō Toyamas martialischen "Men's Dance". Das Konzert wird vom BR gefilmt und mitgeschnitten; es wird am 5. März 2019 in der BR-Klassik-Sendung "Panorama" gezeigt.

"Nur noch vier Stücke", sagt eine Dame fast betrübt beim Blick ins Programmheft. Nicht nur sie will das Ende hinauszögern: Nach dem letzten Stück, dem flirrenden Finale aus Ligetis "Concert românesc", erklatscht sich das Publikum lautstark zwei Zugaben. Der Herkulessaal ist voll, auf den Stehplätzen am Ende des Saals recken die Zuhörer hinter einer Wand aus Kamerapodesten die Köpfe. Mariss Jansons dreht sich um und sagt ins Mikrofon: "Jetzt spielen wir für Sie Johann Strauss: Liebesbotschaft. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und ich wünschen Ihnen ein gutes neues Jahr!"

70 Jahre werden die BR-Symphoniker im neuen Jahr, doch beim Festkonzert zum 70. Jubiläum des SZ-Adventskalenders spielen sie zum allerersten Mal ein Silvester-Programm, das sie tags darauf noch einmal als offizielles ARD-Silvesterkonzert darbieten, dann mit Lang Lang am Klavier. Für die Musiker ist das offenbar eine Riesengaudi. Bei Johann Strauss hebt es sie fast von den Sitzen, und Mariss Jansons lehnt sich zwischendurch am Dirigentenpult zurück, lässt das Orchester machen und wackelt ein bisschen mit dem Kopf. Am Ende: Tosender Applaus, noch lauter und länger als die "Liebesbotschaft". Dass die Partnerschaft der beiden 70-Jährigen auch 2019 innig sein wird, daran besteht nach diesem Konzert kein Zweifel.

© SZ vom 02.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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