Baustelle "Hofstatt" an der Sendlinger Straße:Der Dreck vor dem Luxus

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Wo einst die "Süddeutsche Zeitung" gemacht wurde, sind nun die Bauarbeiter am Werk. Bis 2013 soll die Luxusimmobilie "Hofstatt" an der Sendlinger Straße fertig sein. Ein Besuch auf der Baustelle.

Wolfgang Görl

Der Ort ist derselbe, und doch ist alles anders. Hier, im ersten Stock des ehemaligen Redaktionsgebäudes der Süddeutschen Zeitung war der Konferenzraum, ein lang gestreckter Glaskasten, "Aquarium" genannt, in dem die Kollegen zur morgendlichen Lagebesprechung zusammenkamen. Saß man an der Stirnseite des Aquariums, hatte man einen guten Blick auf die Büros der leitenden Herren (leitende Damen waren so selten wie eine Zeitung ohne Tippfehler), und es gab Tage, da wünschte man sich weit fort von dieser Stätte des nicht immer ersprießlichen Palavers.

Hofstatt an der Sendlinger Straße
:Erst Baustelle, dann Luxus

Wo einst die "Süddeutsche Zeitung" gemacht wurde, sind nun die Bauarbeiter am Werk. Bis 2013 soll die Luxusimmobilie "Hofstatt" an der Sendlinger Straße fertig sein. Ein Besuch auf der Baustelle.

Wolfgang Görl

Eines Tages war man dann fort. Alle waren fort. Die leitenden Herren, die Redakteure und Redakteurinnen, die Hausboten und anderen dienstbaren Geister - der ganze Tross. Und der Katzenjammer war groß. Im Herbst 2008 verließ die SZ ihr angestammtes Quartier in der Sendlinger Straße. Zog hinaus Richtung Osten, in die Steinhausener Pampa.

Nun also die Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. Ohne Tross, und auch nur für ein paar Stunden. Die Schaukästen an der Fassade des Redaktionsgebäudes sind geblieben, früher war hier die aktuelle Zeitung ausgehängt. Jetzt sind sie leer. Auch das Aquarium ist verschwunden. Der Raum ist komplett entkernt, der Boden übersät mit Stahlrohren, Holzpaletten und Brettern. Leitern und Metallgerüste stehen herum, dazwischen Bauarbeiter, die hämmern, klopfen oder sich sonst irgendwie nützlich machen. Okay, die Männer tun ihren Job, und doch möchte man ihnen Einhalt gebieten: Hey, Schluss jetzt! Hier hat einmal der Chefredakteur gesessen, da kann man nicht einfach mit der Spitzhacke wüten! Aber dann schweigt man doch.

Ist auch besser so. Man stünde als ziemlicher Depp da, und außerdem ist es nicht die Schuld der Arbeiter, dass der Geist, der hier mal wehte, entwichen ist. Dass es nicht der Weltgeist war, dass im Aquarium mitunter auch Blödsinn gequatscht wurde, lässt sich bei aller Neigung, die Dinge zu verklären, kaum leugnen. Ist aber auch egal. Im Herbst soll hier ein ganz anderer Geist wehen, einer, der in modischen Klamotten daherkommt, in T-Shirts, Kapuzenpullovern und Jeans, solche von der besseren Sorte, sehr trendy, sehr cool.

Das US-Modelabel Abercrombie&Fitch hat vier Stockwerke des ehemaligen Redaktionsgebäudes gemietet, um einen sogenannten Flagship-Store zu eröffnen, den dritten der Firma in Deutschland. Wenn es stimmt, dass erst eine hohe Dichte an internationalen Modeketten weltstädtisches Flair begründet, dann steht dem Aufstieg der Sendlinger Straße in die erste Liga der Shopping-Meilen nichts mehr im Wege.

Mag sein, dass einige Nostalgiker der Abendzeitung und der Süddeutschen Zeitung nachtrauern, deren Personal das Hackenviertel und nicht zuletzt dessen Wirte ehedem bereichert hat. Aber was zählen die Stimmen die Nörgler, wenn das Projekt "Hofstatt" erst einmal fertig und die Sendlinger Straße 'aufgewertet' ist zu einer edlen Adresse, die den Vergleich mit der Theatinerstraße nicht zu scheuen braucht. Einst als "Rue de Galopp" eine Domäne des Rotlichtmilieus schickt sie sich an, ihren Altmünchner Charme gegen den Glamour der globalen Designer-Kultur zu tauschen.

Hofstatt an der Sendlinger Straße
:Erst Baustelle, dann Luxus

Wo einst die "Süddeutsche Zeitung" gemacht wurde, sind nun die Bauarbeiter am Werk. Bis 2013 soll die Luxusimmobilie "Hofstatt" an der Sendlinger Straße fertig sein. Ein Besuch auf der Baustelle.

Wolfgang Görl

Aber noch ist die Hofstatt eine einzige Baustelle. Noch lässt sich allenfalls ahnen, wie das 11.000 Quadratmeter große Areal zwischen Sendlinger Straße, Hackenstraße, Hotterstraße und Färbergraben einmal aussehen wird. Ein wenig erinnert die Konzeption des Züricher Architekturbüros Marcel Meili&Markus Peter an die 'Fünf Höfe', zumindest wenn man am Modell die Passagen und Innenhöfen betrachtet, die das Areal gliedern. Gewiss hätte der Bauherr, die Vermietungs- und Verwaltungsgesellschaft Sendlinger Straße GmbH&Co KG, eine Projektgesellschaft der LBBW Immobilien, viel Geld gespart, wäre er in der Lage gewesen, die gesamte Bebauung der Hofstatt Wo einst die "Süddeutsche Zeitung" gemacht wurde, sind nun die Bauarbeiter am Werk. Bis 2013 soll die Luxusimmobilie "Hofstatt" an der Sendlinger Straße fertig sein. Ein Besuch auf der Baustelle. Aber da war der Denkmalschutz davor.

Hofstatt an der Sendlinger Straße
:Erst Baustelle, dann Luxus

Wo einst die "Süddeutsche Zeitung" gemacht wurde, sind nun die Bauarbeiter am Werk. Bis 2013 soll die Luxusimmobilie "Hofstatt" an der Sendlinger Straße fertig sein. Ein Besuch auf der Baustelle.

Wolfgang Görl

Die Druckerei aus den 20er Jahren ist ebenso geschützt wie das Redaktionsgebäude, das 1905/06 nach den Plänen des Architekten Max Littmann errichtet wurde. Wenn sich auch der Inhalt ändert - die Hüllen bleiben. Einige Details, wie etwa die Tor- und Fensterbögen des Redaktionshauses an der Sendlinger Straße, erhalten wieder ihre ursprüngliche Form.

Es fällt schwer, sich in den ausgehöhlten Stockwerken zurecht zu finden. Wo war gleich wieder die Innenpolitik? Wo das Büro des Kollegen X? Und wo der magische Paternoster, mit dem man eine Runde fuhr, wenn es galt, Schreibblockaden zu lösen? Nichts davon ist geblieben. Früher waren das Littmann-Gebäude und die ehemalige Druckerei ein Labyrinth, aber man kannte sich aus. Heute würde man sich in der Leere verlaufen.

Im Klinkerbau, in dem sich die Redaktion nach dem Umzug der Druckerei ebenfalls breit gemacht hatte, sind die Handwerker mit dem Austausch der Geschossdecken beschäftigt. Die alten Decken waren marode, sukzessive müssen sie neu betoniert werden. Die Pfeiler, an die man sich bei Flurfesten zu fortgeschrittener Stunde gelehnt hatte, offenbaren jetzt, da der Putz abgeschlagen ist, ihr eindrucksvolles Inneres: Gewaltige Stahlträger, die das Gebäude zusammenhalten. Sie sind mit Rost befallen und müssen saniert werden.

Im Hof, einst Parkplatz für Verleger- und Chefautos, ragt ein Kran zwischen allerlei Baumaterial empor. Wenn alle Arbeiten erledigt sind - im März 2013 soll das sein - , werden die Hofstatt-Shopper hier in einem Café den obligatorischen Latte-macchiato-Stop einlegen. Der Neubau, der das unter dem Protest der Denkmalschützer abgerissene "Schwarze Haus" am Färbergraben ersetzt, präsentiert sich zwar noch in Rohform, sein Anspruch, einer exklusiven Kundschaft als effektvolle Kulisse zu dienen, ist aber schon sichtbar. Die Anwaltssozietät P+P Pöllath+Partners hat sich die Büroflächen des Neubaus bereits gesichert.

Überhaupt darf man vermuten, dass die neue Hofstatt ein wichtiger Schritt ist, das angenehm verschnarchte Hackenviertel auf Hochglanz zu polieren. Man wird das Ensemble, wahrscheinlich zu Recht, als ansehnlich empfinden - und doch wird es Menschen geben, die ein weiteres Stück des alten München schwinden sehen. Muss man hinzufügen, dass derlei Klagen so alt sind wie die Stadt selbst? Und das gleichwohl etwas daran wahr ist? Was hilft's? Die unaufgeräumten Ecken werden weniger in der Altstadt, dazu ist das Terrain zu kostbar.

Wer etwa spekuliert, in der bis dato leicht verlottert wirkenden Hotterstraße ein günstiges Quartier zu finden, wird sich wundern. 6300 Euro pro Quadratmeter kosten die billigsten der dortigen Neubau-Wohnungen, die zum Hofstatt-Komplex gehören. Für die schicken Penthouse-Appartements mit Dachterrasse ist der Quadratmeter-Preis etwa doppelt so hoch. Aber dafür liegt einem München zu Füßen: die alte Gaststätte Hundskugel, die derzeit leer steht, der Hochbunker und die Gebäude, in denen früher die Zeitung geschrieben wurde.

© SZ vom 31.1.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Erst Baustelle, dann Luxus

Wo einst die "Süddeutsche Zeitung" gemacht wurde, sind nun die Bauarbeiter am Werk. Bis 2013 soll die Luxusimmobilie "Hofstatt" an der Sendlinger Straße fertig sein. Ein Besuch auf der Baustelle.

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