Band der Woche:Noise Raid

Lesezeit: 2 min

Die Musiker der Post-Metal-Band bauen sich ihre Effektgeräte selbst und kreieren so ihren ganz eigenen Sound

Von Rita Argauer

In der Welt der Popmusik herrscht ein irrer Markenfetischismus. Verschiedene Genres werden durch den spezifischen Klang verschiedener Marken geprägt, sogenannte Endorsements - also Sponsorenverträge der Firmen mit den einzelnen Musikern - verstärken das. So wurden etwa die Boxen-Türme des Verstärkerherstellers Marshall schon selbst zu Ikonen, genauso wie etwa Fender-Gitarren, Zildjian-Becken oder Boss-Effektgeräte. Das sind Modeerscheinungen, so wie es gerade auch wieder in ist, als lebendige Litfaßsäule mit Modefirmen-Logo-T-Shirt herumzulaufen. Natürlich gibt es auf eine solche Vereinnahmung immer Gegenbewegungen. Und bei manchen Bands gehört es zum guten Stil, die strategisch bühnenwirksam auf den Instrumenten und Verstärkern platzierten Logos mit Klebeband zu schwärzen oder abzuändern.

Besonders konsequent tritt da die Münchner Post-Metal-Band Noise Raid auf. Denn die Musiker überkleben die Markennamen nicht nur, sie entledigen sich der Marken teilweise sogar komplett. Das hat etwas mit den Hobbys des Bassisten Julian Schmid und der Gitarristen Daniel Glossner und Andi Kirchermeier zu tun. In ihrer Freizeit konzipieren und bauen die drei sehr gerne Effektgeräte. Hier ginge es sowohl um das Nachbauen bereits vorhandener Schaltungen mit kleinen Modifikationen, als auch um das Erschaffen von völlig neuen Schaltplänen und deren Umsetzung, sagen sie. Das verweist erst einmal auf eine gewisse elektrotechnische Begabung dieser drei Musiker. Denn Effektgeräte, diese eher unscheinbaren kleinen Metallkisten, die zwischen Gitarre oder Bass und Verstärker geschaltet werden und den Klang in alle möglichen Richtungen verfremden, enthalten in erster Linie Schaltkreise, Platinen und Kabel. Doch auch künstlerisch spricht daraus ein gewisser Eigenwille. Denn diese Effektgeräte prägen den Sound einer Band an sich enorm. Und Kenner hören heraus, ob da der Boss Overdrive oder der Boss Metal Zone oder doch eher ein Ibanez-Tube-Screamer benutzt wird - alles Klassiker der Rockmusik, alles große Marken. Noise Raid aber tüfteln sich lieber ihren eigen Sound zusammen. Ohne Markenzuordnung.

Das spiegelt sich auch in der Musik des Quartetts. Sie spielen instrumentalen Metal, der aber vor allem live weit abstrakter wirkt als die üblichen heroisch-harten Inszenierungen dieser Szene. Noise Raid wirken zurückhaltender. Die Musiker stehen auf der Bühne zueinander, zum Teil abgewandt vom Publikum. Das dürfte zum Teil der komplizierten Rhythmen geschuldet sein, die ein nahes Zusammenspiel der einzelnen Musiker fordern. Das passt aber auch ganz gut zur Gesamterscheinung dieser Band, die sich im August 2017 unter dem Namen The Day After The Last Crime gründete und sich im Januar in Noise Raid umbenannte.

Hier geht es nicht darum, das Publikum direkt anzusprechen. Publikum und Musiker finden sich vielmehr in den lauten, schnellen und gleichsam schwebenden Klangwolken wieder, die diese Band in ihren guten Momenten produziert. Metalklischees wie punktierte Rhythmik und Gitarrenhärte haben sie hinter sich gelassen. Die Doublebassdrum am Schlagzeug, eigentlich ein Werkzeug für brutalen Maschinengewehrsound, verschwimmt mit den Tremologitarren zu einem Gesamtklang, dessen Hektik, wie bei der US-Band Liturgy, in eine zitternde Ruhe umschlägt. "Ein elementares Stilmittel unserer Musik ist das gezielte Brechen von Erwartungen", erklären Noise Raid, etwas, was sie durch besondere Songstrukturen und die Klangfarben der Saiteninstrumente erreichen wollen. Im Mai haben sie eine erste EP aufgenommen, die sie im Spätsommer veröffentlichen wollen.

© SZ vom 06.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: