Band der Woche:Kidsø

Lesezeit: 2 min

Das Münchner Live-Electronic-Duo macht Tanzmusik, die auch mit vertrackten Klängen flirtet

Von Rita Argauer

Ein jeder Mensch ist ein Musiker. Was nach einer utopistischen Idealvorstellung im Pestalozzi-Gewand klingt, ist angesichts der immer leistungsstärkeren Musiksoftwares beinahe Realität geworden. Man scheitert heute bei musikalischen Ambitionen nicht mehr daran, dass man kein Instrument zu spielen gelernt hat. Denn der Computer verlangt keine technisch-virtuose Versiertheit mehr, sondern nur die richtige Bedienung und ein paar Ideen. Die aber erscheinen - wenn man sich die aktuellen Charts ansieht - als doch recht gleichförmig. Angesichts der unbegrenzten klanglichen Möglichkeiten, die ein Computer dem Musiker bietet, ist es so erschreckend, wie ermüdend, wie gleich dann doch fast alles klingt. Das liegt aber vermutlich eher an der Musikindustrie, von der nur noch Musiker nach oben gepusht werden, von denen man sich eine ordentliche Gewinnspanne erhofft: Der Mensch kauft das, was er kennt. Und die Industrie wirft das dementsprechend auf den Markt.

Kidsø

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(Foto: N/A)

Stil: Live Electronica Besetzung: Moritz Graßinger (Analog-Synths, Piano, Percussions), Martin Schneider (Schlagzeug, Pads, Videoinstallation) Aus: München Seit: 2017 Internet: www.kidso-music.com

Das Münchner Live-Electronic-Duo Kidsø geht da in jeder Hinsicht einen Zwischenweg. Zum einen sind da Musiker am Werk, die durchaus über eine gewisse, über lange Zeit antrainierte Virtuosität an diversen Instrumenten verfügen. Zum anderen schaffen die beiden vorwiegend elektronische Klänge, die aber irgendwo zwischen Experiment und bekannten Beats schweben. Der Schlagzeuger Martin Schneider und der Gitarrist und Pianist Moritz Graßinger kennen sich schon aus Jugendzeiten und musizierten lange gemeinsam unter dem Namen Beatnik Boy. Da versuchten sie, Indie-Songstrukturen mit ihrer Vorliebe für synthetische, elektronische Klänge zu verbinden, was zum Teil interessant klang und zum Teil an die Backstreet Boys erinnerte. Kidsø ist nun so etwas wie die erwachsene Variante davon. Strukturell bedienen sich die beiden jetzt auch bei der elektronischen Tanzmusik, insbesondere beim Deep House. Das heißt, es gibt keine Strophe-Refrain-Strukturen mehr, sondern Steigerungsbögen, aus denen sich langsam neue perkussive Module oder Melodien herausschälen. Gesungen wird darauf äußerst selten, und wenn, nur von Gästen, denn Martin und Moritz ließen sich von Neo-Klassik-Pop-Musiker wie Ólafur Arnalds genauso inspirieren wie eben von Clubmusik.

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"Seit 2017 gab es eine Art Findungsprozess, bei dem wir viele verschiedene Sounds, Instrumente und technische Möglichkeiten ausprobiert haben", erklären sie. Nun wird ihre erste EP "Apart" am 26. Oktober auf dem Berliner Label "Project: Mooncircle" erscheinen. Das Titelstück "Apart" beginnt mit flächigen Synthesizern, die klingen wie ein wogendes Streichorchester; ein wenig aufgeraut, aber dennoch tragend. Darauf tänzelt ein melancholisches Glockenspiel, bis dann auch schon ein beinahe etwas billiger Beat hereinrauscht und die delikate Klangästhetik zu Boden stampft. Ähnlich auch im Track "Silent", der leitmotivisch getragen wird von einem grummelnden, leicht verzerrten Basslauf, der ein wenig nach einer Tuba klingt. Musik, die mit vertrackteren Klängen flirtet, aber nicht auf die Eingängigkeit verzichten will.

Wichtig ist den beiden dabei, dass sie eben keine Produzenten oder DJs sind. Moritz und Martin sehen sich als Band, sie spielen Musik, die sie live spontan und nicht programmiert umsetzen. "Es ist also nicht so, dass die Elektronik unsere Instrumente ersetzt. Vielmehr sehen wir sie als Ergänzung", sagen sie. Das Schlagzeug und die Gitarren und Klaviere blieben bestehen, hinzu komme für die beiden nur die Möglichkeit, die "Sounds und Klänge noch weiter zu bearbeiten und damit ganz neue Klangmuster zu erzeugen". Durch einen Computer genauso wie etwa durch ein "Feltpiano", bei dem alle Saiten von Filzen gedämpft werden.

© SZ vom 10.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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