Ausstellung:Klone aus dem Mixer

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In den Bildern der israelischen Künstlerin Daphna Margolin ist die Grenzlinie zwischen Biologie und Technologie nicht mehr auszumachen. Jetzt ist ihre Ausstellung "Gene Touch" ausgerechnet im Max-Planck-Institut für Biochemie zu sehen

Von Jutta Czeguhn

Anwar el Sadat strumpfsockig, im Schneidersitz, betend. Das Ölporträt gefiel dem ägyptischen Staatspräsidenten so gut, dass er Daphna Margolin im März 1980 in sein Land einlud. Die Künstlerin war die erste israelische Zivilperson, der diese Ehre widerfuhr. Sie nutzte den Besuch, um Brieffreundschaften zwischen ägyptischen und israelischen Kindern zu organisieren. Es war damals die Zeit, in der zum ersten Mal so etwas wie Frieden zwischen Arabern und Juden möglich zu sein schien. Doch schon ein Jahr später war Sadat, der Verständigung mit dem verhassten Nachbarn suchte, tot, durchsiebt von 37 Kugeln. Warum dieser Ausflug in die halbferne Vergangenheit? Weil die Nachrichten aus dem Nahen Osten in diesen Tagen so beunruhigend sind wie seit langem nicht, und weil die Sadat-Episode etwas von Daphna Margolin erzählt, einer sehr ungewöhnlichen Frau.

Realität, Utopie oder Dystopie? Die Welt, die Daphna Margolin in ihren Arbeiten zeigt, ist fragmentiert, eine Art Babel. (Foto: OH)

Die israelische Künstlerin ist erst diese Woche in ihre Heimat zurückgeflogen, nachdem sie im Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie in Martinsried ihre Ausstellung "Gene Touch" organisiert und eröffnet hat. Über siebzig ist Margolin mittlerweile und voller Energie. "Sie selbst kam mit der Idee zur Ausstellung auf unsere Generalverwaltung am Hofgarten zu", erzählt Brigitte Schwörer, die am Martinsrieder Institut für Kunstschauen zuständig ist. Weil es am Hofgarten keine geeigneten Räume für Ausstellungen gibt, habe man ihr das Biochemische Institut angeboten, wo im geräumigen Foyer sehr regelmäßig und ambitioniert Kunst gezeigt wird. Problem nur: Das Max-Planck-Institut konnte Margolin keine Mittel für den Transport ihrer Werke von Israel nach Deutschland zur Verfügung stellen. "Der Mensch hat es auf den Mond geschafft, dann werden wir das auch schaffen", hat Daphna Margolin gesagt.

Genetisch optimierte Embryonen wachsen in den Laboren als Zellkulturen heran. (Foto: OH)

Die Bilder sind also angekommen. Bis zum 12. Januar werden sie in Martinsried zu sehen sein, dann wandern sie im Januar weiter ins Max-Planck-Institut für Psychiatrie nach Schwabing, im April geht es nach Berlin. Beim Rundgang durch die Schau in Martinsried wird sehr schnell klar, warum Margolin diesen Ort der Wissenschaft als Rahmen für ihre Werke gesucht hat. In den Laboratorien des MPI ergründen Forschergruppen molekulare Mechanismen der DNA-Reparatur, DNA-Replikation, Zellkommunikation, Chromosomensätze ... Alles undurchschaubar für den Laien, der nur ahnt, dass es um den Menschen geht, und was ihn im Innersten zusammenhält.

Das Sandglas schwingt geheimnisvoll vor sich hin und erinnert den Menschen daran, dass seine Zeit endlich ist. (Foto: OH)

Was ist der Mensch? Diese Frage ist es auch, die Daphna Margolin zentral bewegt. Schon in den Siebzigerjahren hat sie in Israel eine Schule für Natur und sensorielle Kunst gegründet, zudem gehört sie zu den wichtigsten Stimmen im Israeli Forum for Ecological Art. Eine engagierte Künstlerin, die sich einmischt.

Ihre Collagen, Assemblagen und Installationen, die in Martinsried auf Fotografien nun gezeigt werden, sind verstörende Versuchsanordnungen. Die Grenzlinie zwischen Biologie und Technologie ist nicht mehr auszumachen. Margolin zeigt Zeugungs- und Geburtsprozesse von Hybridwesen, halb Mensch, halb Maschine, in denen Schaltkreise und Venen den Organismus pulsierend am Laufen halten. An einem "Solar Genomat" kann man sich per Tastendruck ein Baby nach individuellen Genwünschen ziehen, ein Seitenhieb der Künstlerin auf das Genom-Projekt, das sich die Kartierung menschlichen Erbguts vorgenommen hat. Ihr "Genetic Cloning Mixer" könnte einem ambitioniert experimentellen Science-Fiction-Film der Sechzigerjahre entstammen. Auch "Reincarnation", ein anderes Werk, ist in diesem dystopischen Kosmos keine Glaubensfrage mehr. Nichts ist mehr heilig, alles greift schwindelerregend ineinander, das Innen, das Außen berühren sich, und doch ist alles Fragment, Chaos, Babel.

Im großen Foyer des Martinsrieder Instituts sieht man junge Wissenschaftler an der Kunst vorbei mittags in die Cafeteria schlendern, dann sitzen sie bei Cappuccino und daddeln an ihren Smartphones. Daphna Margolins verstörende Bilderwelt - alles also nur ein böser Traum?

"Gene Touch", Daphna Margolin, Max-Planck-Institut für Biochemie, Am Klopferspitz 18, Martinsried, bis 12. Januar täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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