Aubing:Fremdkörper im Ensemble

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Die Tage des Häuschens an der Limestraße 39 sind gezählt. An seine Stelle kommt ein moderner und in der Bevölkerung sehr umstrittener Neubau. (Foto: Catherina Hess)

Moderner Neubau an der Limesstraße ist genehmigt. Anwohner und Politiker finden sich schwer damit ab

Von Ellen Draxel, Aubing

Noch steht das alte Häuschen an der Limesstraße 39. Es beherbergt ein Schreibwarengeschäft und ein Café, ist eingebettet in ein Quartier mit Walmdach-Villen und es liegt genau gegenüber dem Jugendstilbau der Limesschule, der denkmalgeschützt ist. In den kommenden Wochen soll das Haus abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Geplant ist ein dreistöckiger Kubus, mit Terrassengeschoss und begrüntem Flachdach. Neun Wohnungen mit Laden und Tiefgarage sollen in dem neuen Komplex entstehen. Würde das schnörkellose Gebäude an anderer Stelle errichtet, hätte vermutlich niemand etwas gegen die Planung, die funktionale Form passt in die Ästhetik moderner Architektur. So aber protestierten Nachbarn und Lokalpolitiker bereits vor einem Jahr vehement gegen den Bau - und tun es immer noch. Obwohl die Lokalbaukommission (LBK) den Bauantrag inzwischen genehmigt hat.

Der Fall hat Präzedenzcharakter. Die Frage, die sich stellt, ist, inwieweit der Stadt rechtliche Mittel zur Verfügung stehen und sie gewillt ist, ortsbildprägende Strukturen zu erhalten - oder eher Kontrapunkte zu setzen.

Im Fall der Limesstraße 39 waren sich Anwohner wie Fachleute, nachdem die erste Planung vorgelegt worden war, einig: Der Neubau passt so nicht ins Umfeld. Die Limesstraße, urteilte bereits im August 2014 der Vorsitzende des örtlichen Bezirksausschusses, Sebastian Kriesel (CSU), sei eine historische Straße aus dem Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts und bilde mit ihren Alleebäumen und den Walm- und Satteldächern als letztem Überbleibsel der Aubinger Eisenbahnsiedlung ein "wunderschönes Ensemble". Ein futuristischer Neubau ausgerechnet an dieser exponierten Stelle gegenüber der Limesschule mit ihren Rundbögen und Erkern, Türmchen und Sprossenfenstern zerstöre den "einzigartigen Charakter" dieses historischen Ensembles.

Das sah seinerzeit auch die Stadtgestaltungskommission so, die der Bezirksausschuss eigens eingeschaltet hatte. Einstimmig sprachen sich die Experten damals gegen die Neubaupläne aus. Kritisiert wurden besonders die Fensterbänder, das Flachdach hingegen fand Gegner wie Befürworter. Dem 27-köpfigen Gremium gehören neben dem Oberbürgermeister, der Stadtbaurätin, der Baureferentin und dem Kulturreferenten auch der Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, Stadträte, Mitarbeiter verschiedener Behörden, der Stadtheimatpfleger, Architekten und Vertreter des Naturschutzbeirats an. Doch das Votum der Kommission ist rechtlich nicht bindend. Die Experten können lediglich Empfehlungen abgeben. "Wir haben auf Basis der Kommissions-Empfehlung die Planung umgestaltet und statt den Fensterbändern jetzt Lochfassaden eingearbeitet", sagt Architekt Franz Weber. "Diese Lochfassaden gleichen die Optik an die umliegende Bebauung an." Die direkten Nachbarn, betont er, hätten einvernehmlich ihre Unterschrift unter die Neubauplanung gesetzt und sich gefreut, dass "endlich was G'scheit's" dorthin komme.

Die Fassade wurde nachgebessert, das von den Politikern im Stadtteil abgelehnte Terrassengeschoss aber ist geblieben. Ebenso das Flachdach. "Der Bebauungsplan an dieser Ecke gibt Dachformen explizit nicht vor", erläutert Thorsten Vogel, Sprecher im Planungsreferat. Und das Terrassengeschoss ist durch das Baugesetzbuch abgedeckt. Laut Vogel hat inzwischen auch die Untere Denkmalschutzbehörde "keine Bedenken mehr". Die Limesschule wurde als nicht prägend für die Umgebung eingestuft, die Gegend selbst unterliegt keinem Ensemble-Schutz. "Auf dem Grundstück der Limesstraße 39 besteht Baurecht, das neue Gebäude fügt sich in die Umgebung ein, insofern war der Bauantrag zu genehmigen", erklärt Vogel.

"Ich finde diese Entwicklung unglücklich", sagt BA-Chef Kriesel. "Wenn man als Nachbar auf diese Ecke zufährt, empfindet man die Schule und alles drum herum natürlich als Einheit." Leider, kritisieren die Aubinger Bürgervertreter, habe die LBK den Bezirksausschuss nach der ersten vorgeschriebenen Anhörung über spätere Änderungen oder Entscheidungen nicht mehr informiert. "Das muss sie zwar rechtlich nicht, aber es wäre zumindest sensibel gewesen", meint Stadtrat und Bezirksausschuss-Mitglied Johann Sauerer (CSU). "Schließlich stehen wir bei den Menschen hier im Wort." Die Lokalpolitiker wollen nun von Oberbürgermeister Dieter Reiter wissen, ob bei der Limesstraße 39 auch wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Es geht ihnen darum zu klären, wie man künftig mit derartigen Fällen umgeht. Auch die Stadtratsfraktion Grüne/Rosa Liste hat in diesem Sinne am Freitag eine Anfrage an den Oberbürgermeister gerichtet.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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