Aubing:Ein Dorf in der Stadt

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Der Förderverein "1000 Jahre Urkunde Aubing" hat Denkmalschützer zu einem Rundgang eingeladen, um die Schönheiten des alten Ortskernes zu zeigen

Von Ellen Draxel, Aubing

Ein Spaziergang bei sommerlichen Temperaturen, vorbei an idyllischen Bauernhöfen, einem Brunnen und einer frisch renovierten, reich verzierten Kirche - das bleibt hängen. Anders als trockene Akten im Büro zu wälzen. Für Mechthild Keßler, die Leiterin der städtischen Unteren Denkmalschutzbehörde, und Susanne Fischer, beim Landesamt für Denkmalpflege zuständig für den Bereich München und Oberbayern, ist der Rundgang durch das alte Aubing sichtlich ein Genuss. Der Förderverein "1000 Jahre Urkunde Aubing" hat die einstündige Mini-Wanderung organisiert - um den Damen "zu zeigen, wo der Schuh drückt", wie Vereinsvorsitzender Klaus Bichlmayer erklärt. Und um gleichzeitig vor Augen zu führen, was bereits gelungen ist.

Fast wie gemalt: Eine gemütliche Bank und ein stolzer Hahn - diese Impression steht für den dörflichen Charakter von Aubing. (Foto: Florian Peljak)

Schon die Infotafel vor der Pfarrkirche St. Quirin offenbart, wie groß Aubings Dorfkern ist: das größte von insgesamt 76 denkmalgeschützten Ensembles innerhalb der Stadtgrenzen, fast tausend Meter lang und etwa 300 Meter breit, dominiert von der Ubo- und Altostraße. Ob dieses Ensemble Bestand haben wird - Bichlmayer und seine Vereinskollegen Werner Dilg und Reinhard Sajons hoffen es. Seit Jahren engagieren sie sich für den Erhalt des historischen Ortsbildes, der Förderverein war maßgeblich daran beteiligt, dass der Landesdenkmalrat 2012 den Dorfkern für weitere fünf Jahre unter Schutz stellte. Es ist die letzte Chance, denn: Bis Anfang 2017 müssen substantielle Fortschritte zum Schutz der Ortsmitte auf den Weg gebracht sein. Andernfalls, das hatte der Landesdenkmalrat vor vier Jahren entschieden, wird dem Dorfkern die Denkmaleigenschaft entzogen.

Jeder kennt jeden: Beim Rundgang wird engagiert über Erhaltenswertes diskutiert und beraten. (Foto: Florian Peljak)

Unbestrittenes Prunkstück bei der Besichtigung ist bereits der erste Programmpunkt, die Kirche St. Quirin. 1489 eingeweiht, wurde das Gotteshaus vor sechs Jahren für rund 1,9 Millionen Euro renoviert. Es erhielt eine neue Heizung, ein neues Dach und einen neuen Anstrich.

Ein paar Meter weiter, hinter dem Kirchhof, findet sich ein Gebäude, das zwar schon Giebel und den Betonvorsprung für einen Balkon hat, aber noch nicht ganz fertig ist. "An der Altostraße 12 wird deutlich, welchen Wert man inzwischen auf den Denkmalschutz legt", erläutert Bichlmayer. Entstehen sollten hier zunächst kubusförmige Gebäude. Dreimal, so der Vereinsvorsitzende, habe die Untere Denkmalschutzbehörde den Bauherrn "antanzen" lassen, bis sie zufrieden war. Ein Paradebeispiel dafür, wie Sanierung gelingen kann, ist auch die Altostraße 18. Das erst im vorigen Jahr bezogene Wohngebäude hat ein Satteldach mit einer Neigung von etwa 42 Grad, oben kleine und unten größere Fenster und ist weder quietschgelb noch grün oder himmelblau gestrichen, sondern einfach weiß. "Die meisten Leute wissen nicht, dass Aubings Ortsmitte ein Ensemble ist - vor allem die Maler nicht." Für Privatbauten gibt es in Denkmalschutz-Gebieten Zuschüsse für Modernisierungen, der Förderverein hat dazu im Frühjahr einen Flyer entwickelt, der allerdings noch zur Freigabe im Planungsreferat liegt.

Die Angestellten vom Landesamt für Denkmalpflege genossen den Rundgang durch Aubing. (Foto: Florian Peljak)

Dass Aubing früher ein Dorf war, zeigt sich beim Flanieren nicht nur an den vielen Bauernhöfen, von denen die meisten, der historischen Hierarchie gemäß, an der erhöhten Ubostraße liegen. An vielen Hauswänden prangen außerdem kleine Schildchen: Emaille-Tafeln, die über Orte wie den ehemaligen Bahnhof, das Schulhaus an der Ubostraße oder ein frühmittelalterliches Gräberfeld an der Bergsonstraße mit Funden aus ganz Europa erzählen. Oder Keramik-Tafeln, die einstige Häusernamen wiederauferstehen lassen: Beim Metz, Beim Scherer, Beim Wehl. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Aubing keine Hausnummern, lediglich Namen der Höfe.

Mechthild Keßler fällt auf, dass an einigen Ecken "sehr viel Verkehrsfläche" die Optik dominiert. "Unsortierte" Verkehrsfläche, mit quer laufenden Straßen aus allen möglichen Richtungen. "Die nördliche Kreuzung Ubo-/Altostraße ist ein Brennpunkt, da sollte der Tiefbau ran", bestätigt Bichlmayer. Dasselbe gilt für den Platz, an dem der Maibaum steht, den Knoten Marzellgasse/Bergson-/Altostraße. Leider, so sagt der Vorsitzende des Fördervereins, sei im öffentlichen Bereich bislang nicht viel passiert. Verbesserungen seien lediglich bei privaten Bauten sichtbar.

Die Gegend um den Dorfbrunnen zu verschönern, ist ein Vorschlag des Vereins: "An dieser Stelle könnte man mit wenigen Mitteln - wie beispielsweise Rundbänken um die Bäume - viel machen." Schon länger gefordert wird die Sanierung des Alten Schulhauses gegenüber dem Brunnen an der Altostraße 16, in dem derzeit das Bayerische Rote Kreuz untergebracht ist.

Entscheidungen fallen an diesem Tag keine, es geht eher ums Schmackhaft-machen. Man habe mittlerweile gelernt, genauer hinzuschauen, weiß Bichlmayer: "Das Bewusstsein für den Denkmalschutz hat zugenommen." Für nachhaltige Verbesserungen aber reicht das allein nicht. Dafür braucht es städtebauliche Förderprogramme - und die werden derzeit erst diskutiert.

© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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