Aubing:Bevölkerung "zu keinem Zeitpunkt gefährdet"

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Nach dem Feuer in einer Schrott-Recyclinganlage beginnt das Aufräumen. Die Behörden geben Entwarnung, der Geschäftsführer spricht von Glück im Unglück. Die Ursache ist noch nicht geklärt, Brandstiftung schließt die Polizei aber aus

Von Jutta Czeguhnund Ellen Draxel, Aubing

Der stechende Geruch hängt noch in der Luft über dem Haufen Schrott, die einzelnen Teile sind wild ineinander verkeilt, verformt, verschmolzen. "Nur die Waschmaschinen erkennt man halt noch gut, weil die in etwa ihre Form beibehalten", sagt Karl-David Schlehenkamp. Der Geschäftsführer von Alfa Rohstoffhandel hat auch am Montagmorgen dieser Woche hier an der etwa 150 Quadratmeter großen Halde gestanden. In einigem Abstand, so nahe ihn halt die Feuerwehr ohne Atemschutzmaske an den Brandherd heranließ. Nun, am Mittwochvormittag, scheint auf der Aubinger Anlage nahe dem S-Bahnhof Langwied der Betrieb zur Normalität zurückgekehrt zu sein. Es ist irrsinnig laut, ständig fahren Laster durch das Tor des Werksgeländes zur Waagebrücke. Und gleich neben der Brandstelle, die sich am westlichen Ende des Freilagerareals befindet, sind Mensch und Maschinen schon wieder am Sortieren. Auf einem Haufen, der fünfmal größer ist als jener, der gebrannt hat.

Aufräumarbeiten nach dem Brand: Noch hängt ein beißender Geruch über der Brandstelle. (Foto: Robert Haas)

Auch wenn alles nach Normalbetrieb aussieht: Der Brand, der am Montag gegen 2.30 Uhr ausgebrochen war und viele Menschen im Münchner Westen schwer beunruhigt hat, bestimmt den Tag von Karl-David Schlehenkamp. Der Schredder ist noch nicht wieder angeschmissen. Und der Geschäftsführer bekommt viel Besuch, vom Referat für Gesundheit und Umwelt, vom Wasserwirtschaftsamt; Versicherungsfragen sind zu klären, Ursachenforschung zu betreiben. 200 Tonnen Schreddervormaterial haben gebrannt, sogenannter haushaltsnaher Schrott wie etwa Fahrräder, Spülen oder Waschmaschinen, angeliefert von den zwölf städtischen Wertstoffhöfen. Laut Schlehenkamp war der Brandhaufen für eine Probeschredderung vorsortiert. Gefahrenstoffe wie etwa explosive Propangasflaschen oder Spraydosen, welche die Leute verbotenerweise immer noch in den Wertstoffmüll werfen, entferne man zuvor. Das gelte auch für Schadstoffe wie krebsauslösende Polychlorierte Biphenyle (PCB), die in Waschmaschinen der älteren Generation lauern, oder, besonders tückisch, leicht entflammbare Akkus von E-Bikes. Allerdings, so Schlehenkamp, kleben an so einem Schreddervormaterial noch Gummi, Plastik und Schaumstoff, die später im Schredderprozess dann vom Metall getrennt werden. "Das war es, was dann beim Brand so gestunken hat", erklärt Schlehenkamp.

3000 Liter Wasser schoss pro Minute aus den Löschschläuchen der Feuerwehr auf die glühend heißen Metallteile, was zu der turmhohen Dampfwolke führte, die am Montag weithin sichtbar über dem Aubinger Firmengelände hing. (Foto: Robert Haas)

Die starke Rauchentwicklung und der stechende Geruch hatten am Montag auch die Menschen in den angrenzenden Wohngebieten beunruhigt. Nicht zuletzt auch, weil über die Medien von der Feuerwehr die Aufforderung kam, die Fenster und Türen geschlossen zu halten. Bei der Polizei waren auch einige Notrufe eingegangen von Anwohnern, die über gesundheitliche Probleme aufgrund des Rauchs klagten. Die Bevölkerung in Aubing und im unmittelbar angrenzenden Obermenzing ist seit jeher sensibilisiert, was den Recyclinghof betrifft. "Ärger mit der Anlage gibt es wohl schon seit mehr als 30 Jahren" sagt Sebastian Kriesel, Vorsitzender des Bezirksausschusses Aubing-Lochhausen-Langwied. Er selbst sei in der Nähe aufgewachsen, habe den Lärm und den Lkw-Verkehr schon als Kind mitbekommen. Neu aber sei nun die Gefahrenkomponente. Künftig, so sagt er, müsse verhindert werden, dass so etwas wie am Montag wieder passiere. Die Stadt müsse Auflagen machen, dass nicht sämtliche Stoffe gemeinsam gelagert werden dürften. Gar nicht auszudenken sei es, hätte sich der Brand auf das Gelände der Brenntag AG ausgedehnt.

Noch ist die Ursache für den Brand im Schrotthaufen nicht geklärt. (Foto: Robert Haas)

Das Areal der Brenntag AG liegt nur einige hundert Meter Luftlinie vom Alfa Rohstoffhandel entfernt. Dort werden Industriechemikalien wie Säuren, Laugen, Feststoffe oder Lösemittel vertrieben. Man habe in regem Austausch mit den Einsatzkräften gestanden, erklärt Brenntag-Sprecherin Verena Blaschke: "Wir sind nach den vorliegenden Informationen zu der Einschätzung gekommen, dass keine Gefahrensituation weder für die Mitarbeiter noch unseren operativen Betrieb vorlag." Brenntag habe für seinen Aubinger Standort verschiedenste Sicherheitsvorkehrungen getroffen, wie in unterschiedlichen Gefahrenlagen zu reagieren sei, berichtet Blaschke.

Die Feuerwehr hatte am Montag schon im Laufe des Vormittags Entwarnung gegeben. Es seien keine speziell giftigen Stoffe freigesetzt worden, hatten Luftmessungen an der Brandstelle wie auch rund um das Firmengelände der analytischen Task-Force der Feuerwehr ergeben. Es habe "zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung für die Bevölkerung bestanden", zu diesem Schluss kommt auch das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU), das als Genehmigungs- und Überwachungsbehörde für die Aubinger Abfallentsorgungsanlage zuständig ist. Am Dienstag waren Vertreter des RGU auf dem Gelände, um zu überprüfen, "ob möglicherweise eine nicht auflagenkonforme Betriebsweise im Zusammenhang mit dem Brandereignis stehen könnte", wie eine Referatssprecherin mitteilt. Doch habe man vor Ort "keinerlei Anhaltspunkte für eine offensichtlich nicht rechtskonforme Betriebsweise gefunden".

Noch ist die Ursache für den Brand im Schrotthaufen nicht geklärt. Die Polizei, so der Stand vom Mittwoch, kann nach derzeitigen Ermittlungen Brandstiftung ausschließen. "Wir hatten Glück im Unglück", sagt Karl-David Schlehenkamp nicht nur einmal beim Gang über das Gelände. Noch vergangene Woche habe man das Brandschutzkonzept für den Betrieb aktualisiert, die Mitarbeiter seien geschult, alle Hydranten überprüft und mit einem großen H kenntlich gemacht worden. Einer der Hydranten stehe nur 50 Meter vom Brandherd entfernt. Auch der Schaden hält sich laut Schlehenkamp für die Firma in Grenzen. Man habe eine Brandversicherung mit 50 000 Euro Selbstbehalt, eine Summe, die wohl nicht überschritten werde. Was immer nun die Ursache für den Brand gewesen sei, Schlehenkamp weist auf ein Problem hin, das ihn seit Langem umtreibt. Derzeit muss er den Restmüll, der in der Anlage anfällt, mit Lastern in Verbrennungsanlagen nach Leipzig oder Dresden und bald ins europäische Ausland abtransportieren. Die Stadt nehme diesen kommunalen Wohlstandsmüll in ihrem Heizkraftwerk nicht an. Schlehenkamp hofft nun auf konstruktive Gespräche mit dem Münchner Abfallwirtschaftsbetrieb.

© SZ vom 11.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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