Anzeige gegen Unbekannt:Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Klinikdebakel

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Etwa 2000 Stellen werden gestrichen, den städtischen Kliniken geht es schlecht. Haben die Verantwortlichen im Rathaus zu lange gewartet und die Krise der Krankenhäuser damit sogar verschärft? Das soll nun die Staatsanwaltschaft prüfen.

Von Thomas Schmidt

Die sich lange Zeit nur zäh dahinschleppende Sanierung der städtischen Kliniken GmbH beschäftigt nun auch die Münchner Staatsanwaltschaft. Wegen "etwaiger Veruntreuung öffentlichen Vermögens durch Unterlassen" ging dort eine Strafanzeige gegen Unbekannt ein. Konkret geht es um den Verdacht, politische Entscheidungsträger hätten aus "politischer Opportunität" notwendige Schritte zur wirtschaftlichen Sanierung verhindert. Erstattet wurde die Anzeige von Uwe Alschner, dem Geschäftsführer des bundesweiten Interessenverbands Kommunaler Krankenhäuser (IVKK). Sie werde derzeit geprüft, sagte Staatsanwalt Peter Preuß. Der städtische Gesundheitsreferent Joachim Lorenz (Grüne) nannte die Vorwürfe "lächerlich". Die Anzeige könne sich noch als "Bumerang" erweisen.

Alschner argumentiert, durch das "Unterlassen notwendiger Strukturentscheidungen" könnte die finanzielle Situation der Kliniken verschlechtert worden sein - und damit auch die der Landeshauptstadt. Man müsse die Frage stellen, ob ein "fach- und sachfremder politischer Einfluss" die Krise möglicherweise "verschärft oder gar erst herbeigeführt" habe. Alschner, der die Anzeige als Privatperson eingereicht hat, beruft sich auf eine Aussage Lorenz' von Anfang März. Damals hatte der Gesundheitsreferent der Süddeutschen Zeitung gesagt, die Stadtpolitik habe zehn Jahre zu spät auf die Krise reagiert. Alschner hält es daher für "unverantwortlich, diese Anzeige nicht zu stellen".

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Die frühere Klinik-Geschäftsführerin Elizabeth Harrison streitet sich mit der Stadt München vor Gericht über ihre fristlose Entlassung. Sie sieht sich vom früheren OB Ude zu Unrecht verunglimpft und degradiert.

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Der Vorwurf, dass schmerzhafte Sanierungsschritte möglicherweise bewusst verschleppt worden sind, steht seit Langem im Raum. Der frühere Chef des Klinik-Aufsichtsrats und Bürgermeister, Hep Monatzeder (Grüne), hatte im März ebenfalls kritisiert, dass der Stadtrat "jahrelang Zeit verschwendet" habe. Er selbst habe schon vor Jahren gemahnt, ein Stellenabbau sei "unvermeidlich". Hätte man rechtzeitig Courage aufgebracht, wären die Kürzungen später vielleicht weniger drastisch ausgefallen, sagte Monatzeder.

Nachdem der Stadtrat im Frühjahr 2012 ein Sanierungskonzept verabschiedet hatte, entbrannte ein Streit zwischen Klinikgeschäftsführern und Stadtspitze. Bereits wenige Monate nach der Einigung auf das vermeintlich rettende Papier schrieb die Geschäftsführung einen vertraulichen Brief an Oberbürgermeister Christian Ude, in dem sie den Abbau von 1100 Vollzeitstellen forderte, auch wenn Kündigungen als "unpopulär wahrgenommen" würden. Ude lehnte das damals ab. Inzwischen ist geplant, 2000 Stellen abzubauen.

"Wenn jemand die Sanierung verschleppt hat, dann war das nicht die Stadtspitze, sondern die Geschäftsführung", ärgert sich Gesundheitsreferent Lorenz. Verlagerungen und Zusammenlegungen von Abteilungen hätten die Klinik-Chefs auch ohne Stadtratsbeschluss vollziehen können, argumentiert er. Als Beispiel nennt Lorenz die Verlegung der Schwabinger Dermatologie in die Thalkirchner Straße. "Es lag in der Kompetenz der Geschäftsführung, ganz viel zu verändern - aber das hat sie nicht getan."

Die Anzeige gegen Unbekannt, die implizit auf Ude, Lorenz, Monatzeder und andere an der damaligen Stadtspitze zielt, könne sich daher als "Bumerang" erweisen und die Klinik-Chefs treffen. Von der alten dreiköpfigen Geschäftsführung wurde nur ihre Sprecherin Elizabeth Harrison entlassen, die Geschäftsführer Freddy Bergmann (Finanzen) und Hans-Jürgen Hennes (Medizin) sind weiterhin im Amt.

Auf seine Aussage angesprochen, die Politik habe zehn Jahre zu spät auf die Krise reagiert, erklärt Lorenz, damit habe er sich ausschließlich auf die Zeit vor der Gründung der Klinikum GmbH im Jahr 2005 bezogen. Er habe schon früh erkannt, dass die zu jener Zeit geplante Einführung der Fallpauschalen Einschnitte mit sich bringe. München hätte sich rechtzeitig darauf vorbereiten müssen, dass die hohe Zahl städtischer Krankenhausbetten bald nicht mehr finanzierbar sei, sagt Lorenz. "Aber das hat die Politik damals nicht gewollt."

Die Anzeige bei der Münchner Staatsanwaltschaft ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass es seit Langem Spannungen zwischen dem Interessenverband IVKK und der Stadt gibt. Ude äußerte bereits vor Monaten den Verdacht, der IVKK werde für "persönliche Feldzüge missbraucht". Das Misstrauen rührt daher, dass die ehemalige Klinik-Chefin Harrison stellvertretende Vorsitzende des Vereins ist. Seit ihrer fristlosen Entlassung Ende Dezember fordert sie vor Gericht knapp 150 000 Euro Gehaltsnachzahlung sowie 6000 Euro Schmerzensgeld. Alschner weist den Vorwurf zurück, er und Harrison führten einen persönlichen Feldzug. Bis zu ihrer Entlassung habe Harrison an keiner Vorstandssitzung teilgenommen und sei auch nicht in die Beratungen einbezogen worden. "Ich kann die aktuelle Diskussion in der Münchner SPD verstehen", sagt Alschner, "wo dem Alt-OB vorgeworfen wird, die Schuld gerne bei anderen zu suchen."

© SZ vom 23.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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