Ambitioniertes Konzept mit vielen Freiräumen:Nur der Gong ist ein Auslaufmodell

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Noch sieht der Bildungscampus Freiham wie eine Baustelle aus, aber in acht Monaten sollen dort fünf Schulen eröffnen, darunter das erste Gymnasium in Münchens äußerstem Westen. Der Unterricht läuft flexibel ab, ohne akustisches Signal zum Stundenwechsel

Von Ellen Draxel

Acht Monate noch. Dann öffnet das erste Gymnasium in Münchens äußerstem Westen erstmals seine Pforten. Von außen betrachtet scheint der Bildungscampus Freiham bislang nicht über das Rohbau-Stadium hinaus gekommen zu sein. Doch der Schein trügt. "Es sind schon ganze Klassenzimmer fertig", weiß Thomas Schranner. Und im Februar werden die ersten Möbel geliefert.

Thomas Schranner ist der künftige Schulleiter des neuen Freihamer Gymnasiums. Ein Pädagoge durch und durch, mit visionären Ideen und reichlich Erfahrung. Seit 20 Jahren unterrichtet der 47-Jährige Geographie, Wirtschaft und Wirtschaftsinformatik am Gymnasium Olching. Lange war er dort Personalratsvorsitzender und Oberstufenbetreuer, bevor er vor gut zehn Jahren das Amt des stellvertretenden Schulleiters übernahm. Das Schuljahr 2010/11 mit dem doppelten Abiturjahrgang stand Schranner kommissarisch an der Spitze, bis eine neue Direktorin gefunden war - in diesem Jahr erhielt Olching den Deutschen Lehrerpreis für das Projekt Wochenplanarbeit in der fünften Jahrgangsstufe. Es sollte nicht der letzte sein: 2015 wurde das Gymnasium erneut mit einem Deutschen Lehrerpreis prämiert, diesmal für das naturwissenschaftliche Projekt "The Brain of Olching". In beiden Fällen war Schranner prägend. Nun, da sein Sohn und seine Tochter in der siebten und zehnten Klasse sind, ist er auch bereit für einen Chefposten. "Ich freue mich deshalb sehr auf meine neue Aufgabe", sagt der gebürtige Landsberger. Gemeinsam mit vier Olchinger Lehrerkollegen arbeitet Schranner seit Monaten fieberhaft daran, in Freiham "eine Schule mit Herz zu schaffen, an der sich alle wohlfühlen". Ideen gebe es viele, sagt er lachend, "das Problem ist, sich zu entscheiden, was man macht".

Einige Bausteine aber sind bereits klar. Sicher ist: Das neue Gymnasium an der Bodenseestraße wird im September zunächst nur mit den Jahrgangsstufen 5 bis 7 starten. Dass es keine höheren Klassen gibt, liegt an der Wiedereinführung des G 9. Fest steht außerdem, dass Latein und Französisch als zweite und voraussichtlich Spanisch als dritte Fremdsprache angeboten werden sollen. Unterrichtet wird ausschließlich in Doppelstunden, weshalb auch die Schulranzen der Kinder leichter werden, weil weniger Bücher zu schleppen sind. Geplant sind zudem eine Theater- und eventuell eine Musikklasse. Auch die Naturwissenschaften werden wie in Olching mit Science-Nachmittagen und der Förderung der Freude am Experimentieren in Freiham "ein ganz großes Feld einnehmen", betont Schranner: "Wir haben ja unglaublich viel Platz: Für Bio, Physik und Chemie stehen uns jeweils 273 Quadratmeter zur Verfügung. Da bringt man anderswo ganze Schulen unter."

Wir packen das: Thomas Schranner, der künftige Schulleiter des Freihamer Gymnasiums, zeigt sich trotz der Baustelle zuversichtlich. (Foto: Catherina Hess)

Besonders wichtig ist dem designierten Schulleiter die Einführung mindestens eines gebundenen Ganztageszuges. Der Unterricht in dieser Klasse soll vormittags "klassisch" rhythmisierend gestaltet werden, sodass Übungs- und Lernzeiten im Wechsel mit sportlichen, musischen und künstlerischen Aktivitäten stehen. Nach der Mittagspause wäre eine zweistündige Wochenplanarbeit möglich. "Auf diese Weise hätten die Schüler viel mehr Übungsphasen, in denen auch der Lehrer dabei ist." Darüber hinaus könnte es in Kooperation mit der Campus-Realschule zusätzlich einen offenen Ganztageszug geben, bei dem die Nachmittagsbetreuung flexibel für einzelne Wochentage buchbar ist und von einem außerschulischen Träger übernommen wird. Weil der Bildungscampus "tolle Werkräume" hat, ist in den Pausen viel Sinnvolles denkbar: neben Schnitzen und Töpfern auch Kreatives im Outdoor-Klassenzimmer, sportliche Aktionen oder eine Mitarbeit im Schulgarten.

Weil Schranner ein Verfechter von praxisorientiertem Arbeiten mit freien Methoden ist, sollen alle Fünftklässler darin geschult werden, nach dem Wochenplan-Prinzip eigenverantwortlich zu lernen. "Wir achten bei diesem Konzept aber sehr darauf, dass dieses selbständige Lernen eng geführt wird", relativiert er. Vokabeln etwa müssten auf jeden Fall gepaukt, Matheaufgaben vom Lehrer genau erklärt werden. Entscheidend sei außerdem, dass die Schüler angstfrei in die Schule gehen könnten. Deshalb wird es am Gymnasium Freiham nur angesagte Leistungsnachweise geben. Und deshalb soll der Unterricht morgens auch nicht Gongschlag acht Uhr mit einer Abfrage beginnen, sondern mit einer "pädagogischen Viertelstunde", in der die Kinder noch ihre Breze kauend Vokabeln lernen oder sich mit dem Lehrer über ihre Sorgen unterhalten können.

Apropos Gong: Der Bildungscampus mit seinen anfangs fünf Schulen - Gymnasium, Realschule, Fachoberschule, Förderschule und Grundschule - kommt ohne akustisches Signal für den Stundenwechsel aus. "Da sind wir Schulleiter uns alle einig", sagt Schranner. Der Grund: Die Schulen haben unterschiedliche Anfangszeiten, dank derer die gemeinsamen Räume aber auch flexibel genutzt werden können.

Wie alle neuen Schulen in München setzt sich auch das Gymnasium Freiham aus Lernhäusern zusammen. Mindestens sieben große, helle Klassenzimmer, dazu ein Ausweich-, ein Abstell-, ein Inklusions- und ein Teamraum für Lehrer sowie Toiletten gruppieren sich pro Lernhaus-Einheit um einen offenen Mittelbereich. Diese gemeinsamen Mittelzonen will Schranner unterschiedlich gestaltet wissen: Mit einem samt Beamer und Leinwand ausgestatteten Platz für Versammlungen und Präsentationen, mit Tischen und diversen Sitzgelegenheiten.

Dass das Interesse am Gymnasium groß ist, weiß der künftige Schulleiter. Er war schon bei verschiedenen Infoabenden der umliegenden Münchner Grundschulen, will sich aber noch mit den Lehrern aus den vierten Klassen treffen, um den Übertritt möglichst reibungslos zu gestalten. "Das ist mir wichtig, die Kinder müssen in Mathe, Deutsch und Englisch an der richtigen Stelle abgeholt werden". In Olching macht Schranner diesen Koordinationsjob bereits seit 2004.

"Ich spreche mit meiner Einladung diejenigen Schüler an, die in München wohnen, mangels Alternativen momentan aber im Landkreis Fürstenfeldbruck zur Schule gehen", betont er. Mädchen und Jungen, die etwa in Lochhausen leben, derzeit jedoch das Gymnasium Gröbenzell besuchen, weil es in der Nähe nichts gibt. "Die Anbindung des Bildungscampus", sagt der künftige Direktor, "ist sensationell gut": Aus Lochhausen beispielsweise sei der neue Freihamer Schulstandort per Bus in 16 bis 18 Minuten zu erreichen, ebenso aus Aubing. Schüler aus Germering oder aus Laim, Pasing, der Siedlung am Westkreuz oder Neuaubing hätten es noch einfacher, sie brauchten lediglich in die S-Bahn einzusteigen.

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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