Altschwabing:Ins Leere gelaufen

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Die Stadt lehnt es ab, für das Quartier zwischen Fend-, Knoller-, Franz- und Siegesstraße einen Bebauungsplan aufzustellen, um es vor Luxussanierungen zu schützen. Für eine Erhaltungssatzung fehlen die Voraussetzungen

Von Stefan Mühleisen, Altschwabing

Ob am Tresen in der Kneipe, beim Metzger an der Theke oder beim Schwatz auf dem Trottoir - in der ganzen Stadt schimpfen die Menschen über die Gentrifizierung. Das ist auch in Schwabing nicht anders. Kaputt machen wollten die Investoren das alte Schwabing, so reden die Leute, alles werde aus Geldgier plattgemacht. Die schleichende Umwandlung des alten Baubestands in teure, für Mieter kaum erschwingliche Wohnungen bewegt die Altschwabinger - und auch seit Langem den Bezirksausschuss (BA) Schwabing-Freimann. Er bemüht sich, wie andere Bezirksausschüsse auch, hartnäckig um den Milieuschutz. Und wie so oft, bekommen auch die Schwabinger Politiker von der Stadt nun eine Abfuhr für ihre Forderung nach einem Bebauungsplan für ein historisch gewachsenes Viertel.

Schon seit Jahren erschallen aus den Stadtvierteln die Rufe nach diesen städtischen Satzungen, welche die zulässigen Nutzungen - und das statthafte Baurecht - auf bestimmte Flächen festsetzen. In Harlaching oder Solln beklagen sie die massive Nachverdichtung auf den Gartenstadt-Grundstücken; in den innenstadtnahen Quartieren, wie am Gärtnerplatz oder in der Maxvorstadt, dafür die Luxussanierungen. "Wenn diese Entwicklung nicht politisch und planungsrechtlich gesteuert wird, droht der ursprüngliche Charakter eines gemischten Wohnquartiers mit Künstlern, Studenten, Kneipen und kleinen Theatern einer Monostruktur von Edelwohnungen mit Edelboutiquen und Edelgastronomie zu weichen", appellierte der Schwabing-Freimanner Bezirksausschuss an die Stadt - und drang auf einen Bebauungsplan für das Quartier zwischen Fendstraße, Knollerstraße, Franzstraße und Siegesstraße. Es ist ein Segment östlich der Leopoldstraße, zwischen der Seidlvilla im Süden und der Münchner Freiheit im Norden, das vom Denkmalschutz-Ensemble Altschwabing ausgespart ist.

Doch der Planungsausschuss des Stadtrats hat das auf Empfehlung des zuständigen Planungsreferats abgelehnt. Die Begründung dürfte nicht nur die Stadtviertelpolitiker in Schwabing frustrieren. Denn einerseits teilt die Behörde durchaus die Sorgen der Bürger und Lokalpolitiker, zum Beispiel, dass das Quartier "erhebliches Entwicklungspotenzial" aufweise. Doch die weiteren Ausführungen lassen erahnen, dass die vielen Rufe nach Bebauungsplänen zum Schutz der Milieus in den Stadtvierteln wohl weiter ungehört bleiben werden. Stadtbaurätin Elisabeth Merk führt in dem vierseitigen Begründungstext der Beschlussvorlage zunächst ein oft gehörtes Argument an: Der Aufwand eines Bebauungsplanverfahrens stehe in keinem angemessenen Verhältnis zum Nutzen. Denn dies sei kein Instrument, mit dem "Edelwohnen" oder "Edelgastronomie" von einfachen Wohnungen und einfachen Boutiquen unterschieden oder ausgeschlossen werden könne. Zumal der Milieuschutz allein kein Ziel sei, welches unmittelbar durch einen Bebauungsplan verfolgt werden könne - weshalb eine Satzung mit diesem Vorhaben nicht rechtmäßig wäre.

Wohl entscheidender ist für die Stadt aber das Eigentumsrecht: Da private Hausbesitzer nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches ein bestehendes Baurecht auf ihren Grundstücken haben, könnten auf die Stadt Entschädigungsansprüche zukommen. Risikofrei, so Merk in dem Papier, wäre ein Bebauungsplan für die Stadt nur, wenn kein Baurecht entzogen oder Eigentümer freiwillig auf Baurecht verzichten würden. "Dass Eigentümerinnen und Eigentümer ohne Gegenleistung auf Baurecht verzichten, widerspricht aller Erfahrung des Referats für Stadtplanung und Bauordnung", heißt es in der Behördenvorlage. Und ein Entzug von Baurecht sei "angesichts des Entwicklungspotenzials" nicht anzunehmen.

Bleibt ein anders kommunales Mittel, um die angestammte Bevölkerung vor Verdrängung zu schützen: die Erhaltungssatzung. Dieses Regelwerk soll Mietern in ausgewählten Bereichen der Stadt günstigen Wohnraum sichern; Luxussanierungen sind untersagt. Rund um die City bemühen sich die Bürgervertreter immer wieder erfolgreich, Quartiere und Straßenzüge unter diesen Schutzschirm zu nehmen. Doch auch das kann ins Leere laufen, wie der Beschluss zu Altschwabing zeigt: Erhaltungssatzungen seien ein Instrument, das nur zur Vermeidung negativer städtebaulicher Folgewirkungen eingesetzt werden könne, schreibt Merk. "Dieser Nachweis kann für das angesprochene Areal (...) nicht erbracht werden."

© SZ vom 27.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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