Bayerisches Restaurant "Alter Wirt Moosach":Härtetest am Sonntagabend

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Der neue "Alte Wirt" serviert Knödel, die Ähnlichkeit mit Kanonenkugeln haben. Und der Wirt bekommt für seinen Humor eine Sonderrüge.

Ivan Lende

Ein bisschen verloren steht er da in seinem prächtigen Gelb an der Ecke Dachauer- und Pelkovenstraße. Man könnte ihn protzig nennen oder gar neureich, stünde die Geschichte nicht dagegen. Denn der ALTE WIRT MOOSACH wird als "Täfernhaus" schließlich schon 1442 urkundlich erwähnt, der Name leitet sich vom "Tafeln" her, bezeugt also, dass dieses Wirtshaus nicht nur eines der ältesten Münchens ist, sondern schon immer etwas Besseres war.

Zu Gast beim "Alten Wirt" in Moosach: freundlicher Service, zwarte Ochsenlende und ein beeindruckendes hauseigenes Humorpotential. (Foto: Foto: Robert Haas)

Heute also überstrahlt das Haus stolz die städtebaulichen Sünden dieser unansehnlichen Ecke und lockt eine erstaunliche Mischung aus Alt und Jung an, sei es zum Kartenspiel, zum Ratschen oder, was eines Täfernhauses wahre Bestimmung ist, zum Speisen. Es scheint also, dass der Plan, den Alten Wirt - im Frühjahr vergangenen Jahres frisch renoviert und mit neuem Konzept versehen - zu einem neuen Moosacher Zentrum zu adeln, aufgegangen ist.

Ein altes Münchner Wirtshaus ist selbstredend auch in neuer Gestalt der Tradition verpflichtet, was hier allerdings ein paar seltsame Blüten schlägt, die ein grundlegendes Problem des Alten Wirtes offenbaren: Man kann sich nicht entscheiden zwischen Wirtshaus und Kneipe.

Sonderrüge für den Wirt

Das trifft auf die Innenarchitektur zu und auf die Speisekarte, noch dazu stört die Musik, die ganz unwirtshausmäßig den Raum dauerbeschallt, beim Essen und Ratschen. Garniert wird diese wechselbalgige Atmosphäre durch grausige Neobavarismen, so heißt der Schweinsbraten hier "Schweinzbraten", wofür der Wirt eine Sonderrüge erhalten sollte, und für den gebackenen "Kammanbär" gleich noch eine.

Solch sprachliche Originalität glänzt auch bei den Toiletten, wobei die "Buam" im Gegensatz zu den "Dirndln" wenigstens grammatikalisch in Ordnung sind, wenngleich die ihnen zugewiesene "Schifferstation" mehr zu bieten hat als nur Pinkelbecken; auch die Besenkammer mit dem Portrait Boris Beckers, an eine bekannte Eskapade des früheren Tennnisstars anspielend, gibt Zeugnis vom hauseigenen Humorpotential, und so könnte man weiter räsonieren über das bayerische Wirtshaus der Gegenwart, und ob es denn beispielsweise sinnvoll ist, Tische und Stühle inmitten des Lokals so hoch zu bauen, dass die Beine in der Luft baumeln wie an einer Bar.

Härtetest Sonntagabend

Aber irgendwann kommt man nicht drum herum, sich mit dem Essen zu befassen, auch wenn es zunächst allzu verlockend ist, sich des ersten Kontakts mit diesem Haus zu erinnern. Lende hatte sich und die Seinen für einen Sonntagabend angemeldet, nicht übers Netz, weil davon auf der Internetseite abgeraten wurde, sondern übers Telefon, sprich, über den telefonischen Anrufnichtbeantworter. "Jamei", sagte da resignierend die Kellnerin, "nachad schauma amoi". Die Bedienung war, wie jedes Mal übrigens, von einer jegliches Vorurteil über bayerischen Service zerstörenden Freundlichkeit.

Im zweiten Abschnitt: Das Essen - wie Biergulasch, Ochsenlende und Leber geschmeckt haben.

Und das Essen? Nun gut, der Sonntagabend ist immer ein Härtetest. Die Leberspätzlesuppe (3,00) war fad, das Biergulasch (9,00) möglicherweise schon am Freitag angesetzt, jedenfalls mehr oder weniger zu einem Gulaschbrei verkocht (wiewohl ahnen lassend, dass es einst durchaus schmackhaft gewesen sein könnte), die Waldschwammerl schmeckten eher nach aller Welt, nur das Holzfällersteak (9,80) wurde klaglos, ja gar mit offensichtlichem Wohlbehagen verputzt. So Knödel gereicht wurden, fielen sie allesamt unter die Kategorie Kanonenkugeln, eine Diagnose, die spätere Besuche aufrechterhielten.

Doch es kam auch eine zarte, auf den den Punkt gebratene Ochsenlende (15,50) auf Tisch, ebenso ein vorzüglich gewürztes Rehgulasch (11,90) und ein für eine Vorspeise wahrhaft üppig angerichteter, angenehm milder Räucherlachs. Schon wollte des Jubels kein Ende sein, bis die Leber (9,00) angetestet wurde. So hart war sie gebraten, dass jeglicher Vergleich mit eine Schuhsohle eine Beleidigung für Letztere wäre.

Nicht untypische Mischung von Devotionalien

Neue Hoffnung weckten die Nachspeisen. Doch Apfelkücherl (5,50), die nach Öl schmeckten? Musste nicht sein. Und die Palatschinken (5,50)? Ein bisschen arg fest im Teig waren sie, so als habe man keine Kenntnis von der nicht nur in Ungarn üblichen Verwendung sprudelnden Mineralwassers für den Teig. Über den Tisch hinweg lärmte die Diskussion, ob der Wirt womöglich gar einen Hang zu vorgefertigter Ware pflegen könnte.

Auf den Wein, ob Montepulciano, Zweigelt oder Riesling, einzugehen, lohnt sich nicht, es bleibt bei der Erkenntnis: Wenn es ein gepflegtes Hofbräu-Bier gibt, ist dieses in bayerischen Wirtshäusern allemal vorzuziehen. So bleibt beim Abschied der Blick am Herrgottswinkel hängen: Dort prangen, neben dem Namensgeber, König Ludwig II. und Franz Josef Strauß, eine für dieses Haus nicht untypische Mischung von Devotionalien.

Alter Wirt Moosach, Dachauer Str. 274, 80992 München, Telefon: 089/1407276, www.alterwirt-moosach.de . Geöffnet täglich von 10 bis 24 Uhr.

© SZ vom 12.01.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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