Alte Kongresshalle in München:Der Elektro-Kongress

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Am Wochenende treffen sich alte Techno-Helden mit neuer Elektro-Avantgarde. Unter vielen mit dabei: Ellen Allien, DJ Hell und Gomma.

Sebastian Gierke

Vor zwanzig Jahren kam es auf die Welt - und wuchs schnell. Zu schnell. Schon nach wenigen Jahren war es aufgequollen von Gift, die Haut transparent schimmernd: Es erschien gewaltig, furchteinflößend, saugte alles, was in seine Nähe kam, auf, wälzte sich durch Berlin wie eine gewaltige Raupe Nimmersatt. Und viele wandten sich ab. Die Rede ist vom Monster Techno. Die Rede ist von Massenraves und Love-Parade, von Kommerz und Hype.

Ein Highlight für Raver: Die Party in der Alten Kongresshalle. (Foto: Foto: dpa)

Doch Mitte der Neunziger versetzten einige, die das nicht mehr aushielten, dem Ungetüm einen Tritt, es fiel auf den Rücken und sah gar nicht mehr so ekelhaft aus. Plötzlich war es erlaubt, mit der Musik wieder etwas auszuprobieren. Ellen Allien war einer dieser Tech-noumtreter. Sie war von Anfang an dabei, kurz nach dem Mauerfall brach sie an den Wochenenden mit Gleichgesinnten in den Osten der Stadt auf, funktionierte triste, verlassene Brachen zu Technotempeln um, arbeitete in einem der ersten Technoläden Berlins, dem Fischlabor.

Dann kam der Technoboom, der große Berlinhype. Ellen Allien wurschtelte vor sich hin, gründete erfolglos ein Label, ging in dem überschrillen Technojahrmarkt aber nicht unter, verteidigte ihre Ansprüche. Und 1999 kam ihre Stunde. Sie gründete das Label BPitch Control und schuf damit eine Technozelle, die zukünftige Arbeitsweisen der elektronischen Musik wie kaum eine zweite prägte. Der ganz große Schwung verebbte langsam, und BPitch Control öffnete den Blick. Elektronische Musik war von da an nicht mehr linearer Fortschritt, sondern eine ausufernde Suchbewegung, die Progression in viele, scheinbar beliebige Richtungen zur Folge hatte.

Und so steht BPitch Control nicht für einen speziellen Sound, auf den alle abfahren, es vereint vielmehr vieles von dem, was an elektronischer Musik in den letzten zehn Jahren so interessant war. Eine Collage aus Pop, Trance, Elektro, Minimal, aus Melancholie und Besinnungslosigkeit. Zurück zum Experiment, zum Sich-Öffnen, Empfangen, zur Selbstüberschreitung - und das im Kollektiv: So arbeitet BPitch Control immer noch, so arbeitet die Technopatronin Allien mit ihren Kollegen, mit Sascha Funke oder Modeselektor zum Beispiel. So kann man mit Ellen Allien und ihren Labelfreunden am Samstag nicht nur zehn Jahre BPitch Control feiern, sondern 20 Jahre Techno (22 Uhr, Alte Kongresshalle, Theresienhöhe 15).

Am Sonntag geht es am gleichen Ort mit Münchner Labels von Weltruhm weiter: Gomma, Compost, Disko B, Pastamusik, Great Stuff und Permanent Vacation präsentieren sich ab 15 Uhr jeweils mit einem Showcase. Und DJ Hell erklärt, wie schön die letzten 20 Jahre waren.

© SZ vom 04.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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