Allach-Untermenzing:Wenn der Laster im Vorgarten brummt

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Industrie grenzt an Wohnen: Mit der Lage der Hackersiedlung will sich jetzt der Bezirksausschuss befassen. (Foto: Privat)

Der 50 Meter breite Schutzgürtel am Storchenweg zwischen der Hackersiedlung und dem Industriegebiet zeigt kaum Wirkung, die Betriebe rücken mit Containern und Lkw immer näher an die Häuser heran

Von Anita Naujokat, Allach-Untermenzing

Als die Stadt vor fast zehn Jahren die Schwarzbauten in der Hackersiedlung legalisieren und diese als Wohngebiet ausweisen wollte, genehmigte die Regierung von Oberbayern die Änderung nur unter einer Auflage: Zwischen den Wohnhäusern und dem östlich und südlich gelegenen Industriegebiet musste ein 100 Meter langer und 50 Meter breiter Schutzgürtel vorgesehen werden. Und zwar durchgehend von der Ludwigsfelder Straße aus den gesamten Storchenweg entlang. Den Streifen hat die Stadt zwar in den Flächennutzungsplan aufgenommen, Wirkung zeigt er aber bis dato nicht. Anwohner beobachten mit Sorge, dass Gewerbebetriebe mit ihren abgestellten Lastwagen und Containern immer näher an ihre Häuser heranrücken. "Die Auflage wird völlig ignoriert", sagte Matthias Meyer jüngst im Bezirksausschuss.

Für die Gemeinschaft der Eigentümer in der Hackersiedlung hatte Meyer sich auch schon an die Stadt gewandt. Ein Schreiben von vor mehr als einem Jahr sei unbeantwortet geblieben, sagt er. Ein zweites sei auf telefonische Anfrage zwar beantwortet worden, habe aber nichts Konkretes ergeben. Daraufhin seien noch ein paar "ergebnislose Telefonate" erfolgt. Um doch noch etwas Schriftliches zu bekommen, hatten die Anwohner im Februar erneut ihr Glück versucht, erhielten auch bald eine Antwort, in der "aus Datenschutzgründen" aber kaum Erhellendes gestanden habe. Bevor die Lastwagen in den Vorgärten stehen und Fakten geschaffen werden, haben sich die Anwohner nun an ihre Stadtbezirksvertreter gewandt.

Die Regierung von Oberbayern hatte ihre Auflage seinerzeit damit begründet, dass eine Wohnbaufläche in unmittelbarer Nähe zu einem Industriegebiet unverträglich sei. Die Planung verstoße auch gegen den im Bundes-Immissionsschutzgesetz verankerten Trennungsgrundsatz. Der Schutzgürtel sei erforderlich, um diesen "städtebaulichen Missstand" zu bewältigen. Er böte nämlich Raum dafür, die Wohnhäuser mit einer Schallschutzwand, aufgeschütteten Wällen oder anderem auf dem Gelände des Industriegebiets selbst vor unzulässigen Einwirkungen zu schützen. Soweit der Plan. Schon damals hatte die obere Aufsichtsbehörde angeregt, das Industriegebiet doch in ein Gewerbegebiet mit Emissionsbeschränkung abzustufen, ein Vorschlag, der heute - unabhängig von den Nöten der Anwohner - wieder diskutiert wird. Damals wäre es gut möglich gewesen, wie die Regierung feststellte, weil "die angrenzend vorhandenen gewerblich-industriellen Nutzungen nicht genehmigt sind" und das Gebiet ansonsten noch weitgehend unbebaut sei.

Mit einem Flächennutzungsplan (FNP) ist es so eine Sache. Auf die Frage, warum der Streifen mehr oder weniger nur auf dem Papier vorhanden ist, kommt aus dem Planungsreferat sowohl ein einerseits als auch ein andererseits. Zum einen ordne der Flächennutzungsplan die Räume einer Stadt und sei Grundlage dafür, welche Flächen für welche Nutzungen vorgesehen sind, sagt Martin Klamt, Sprecher im Planungsreferat. Zum anderen ließen sich daraus aber keine konkreten Regelungen und keine Ansprüche nachbarrechtlicher Art ableiten. So definiere ein FNP zwar, wo eine Fläche für Gewerbe vorgesehen sei. Ob dort aber Socken oder Autos vertrieben werden, sei damit noch offen. Das werde erst über Bebauungspläne, Bauanträge und Genehmigungen geregelt.

Was nun das Gebiet an der Hackersiedlung angeht, gebe es dort eine sehr "unterschiedliche Nutzung", sagt Klamt. "Manchmal erfahren wir erst über Hinweise und Beschwerden von Anwohnern davon, dass etwas nicht stimmt." Der nächste Schritt werde jetzt sein, zu prüfen, ob der tatsächliche Zustand baurechtlich dem Zulässigen entspricht. Die Anwohner müssen sich dabei auf ein langwieriges Verfahren einstellen. Denn es bedeutet, dass für jedes Grundstück einzeln untersucht werden muss, was genehmigt ist, was abweicht, aber noch zulässig ist, was noch nachträglich genehmigt werden kann und was absolut nicht mehr in Ordnung ist. Die Konsequenzen könnten von Bußgeldern bis hin zum Abbau reichen, müssten in der Regel aber gerichtlich durchgesetzt werden.

Die Stadtbezirksvertreter nahmen das Anliegen sehr ernst und verwiesen es in ihren Planungsausschuss, der sich jetzt damit befassen soll. "Das ist keine Lappalie, die wir nur allein den Bürgern überlassen dürfen", warnte Ingrid Haussmann (parteifrei). "Dazu müssen wir Stellung beziehen." In die Bredouille geraten könnte auch die Stadt, wenn sie nämlich etwas genehmigt hätte, was im Schutzgürtel liegt. Dann müsste sie sich weitere Fragen stellen lassen.

© SZ vom 28.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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