Allach/Untermenzing:Bittere Töne

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Angesichts eines "Wohnen-für-alle"-Projektes lamentieren Allacher Bürger: "Wir werden das Scherbenviertel Münchens"

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Die Wohnidylle an der Franz-Albert- und Naßlstraße scheint getrübt. Zwar existiert für das freie Grundstück hinter den Häuserreihen zwischen den beiden Straßen bereits seit 1994 ein rechtskräftiger Bebauungsplan, doch jetzt wird es ernst: Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Gewofag will dort nach dem Stelzenbau am Dantebad ihr zweites Projekt "Wohnen für alle" im Auftrag der Stadt realisieren. In acht Gebäuden will sie zirka 85 Wohnungen, einen Gemeinschaftsraum, ein Büro für die Betreuung der Bewohner und 27 Parkplätze errichten. Die Zufahrt ist über den verlängerten Schwerdweg geplant.

Die Anwohner befürchten vor allem Verkehrs- und Integrationsprobleme. Im Fokus der zum Teil heftigen Kritik während der Informationsveranstaltung der Gewofag und der städtischen Referate standen vor allem das zusätzliche Verkehrsaufkommen, der Stellplatzschlüssel, aber auch die Belegung und Bewohnerstruktur. 51 Prozent der 47 Ein-, 16 Zwei- und Zweieinhalb- und 22 Dreizimmerwohnungen sollen von anerkannten Flüchtlingen belegt werden; die anderen mit Geringverdienern in drei Stufen, also Menschen, die jährlich nicht mehr als höchstens 19 200 Euro netto zur Verfügung haben.

Zur spannungsgeladenen Stimmung im vollbesetzten Theatersaal des Hans-Sieber-Hauses dürften auch Flugblätter beigetragen haben, die schon Tage vor der Info-Veranstaltung anonym an Anwohner verteilt wurden. Auf den Pamphleten ist kein Verantwortlicher im Sinne des Presserechts genannt, doch wird inhaltlich auf einen geplatzten Änderungsantrag der Bayernpartei verwiesen, in dem diese vom Stadtrat eine geringere Flüchtlingsquote von 40 Prozent bei der Belegung forderte. Einen Beifallssturm löste gleich der erste Redebeitrag darüber aus, wie die Stadt es vertreten könne, ein "solches Filetgrundstück" für den sozialen Wohnungsbau statt für Familien zu nutzen. Andere sprachen von "Belastung" und "Belastbarkeit": "Das schafft das Wohngebiet nicht", umschrieb es einer der Zuhörer. Noch habe man eine stabile Struktur, aber bald nicht mehr, mutmaßte eine Frau. Bemängelt wurde auch eine ungleiche Verteilung der Standorte.

An die 500 städtischen Grundstücke hat das Planungsreferat daraufhin untersucht, ob auf ihnen schnell Wohnraum realisiert werden könnte, da bereits Baurecht besteht. "Wir hätten das Areal auch meistbietend verkaufen können, dann hätte ein Bauträger die ursprünglich vorgesehene höhere Stangenbebauung durchgezogen. Das hätte auch nicht allen gefallen", stellte Ulrike Klar aus dem Planungsreferat fest. Großen Beifall fanden aber auch Vorschläge von Anliegern, das Projekt zu verkleinern und eine zweite Zufahrt von der Franz-Albert-Straße auf das Gelände zu schaffen.

Dennoch werden Klaus-Michael Dengler, Sprecher der Gewofag-Geschäftsführung, und der Bezirksausschuss mit weiterem Widerstand zu rechnen haben. Bereits im Saal zückte ein Anwohner mit dem Ausruf "Lasst uns was tun!" erste Unterschriftslisten, andere erwägen rechtliche Schritte. "Wir werden das Scherbenviertel Münchens", empörte sich ein Mann im Hinausgehen.

© SZ vom 24.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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