Allach/Untermenzing:Aufgeschoben, nicht aufgehoben

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Das "Wohnen-für-alle"-Projekt an der Franz-Albert-Straße muss umgeplant werden, um den Bestimmungen des Bebauungsplans zu entsprechen. Die Kritiker sammeln weiter Unterschriften - aber nicht alle sind komplett dagegen

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Das umstrittene "Wohnen-für-alle"-Projekt zwischen der Franz-Albert- und der Naßlstraße ist vorerst gestoppt, das Vorhaben an sich aber nicht vom Tisch. Mit dieser überraschenden Nachricht wartete die CSU-Stadträtin und Vorsitzende des Allach-Untermenzinger Bezirksausschusses (BA), Heike Kainz, gleich zu Beginn der Sitzung am Montagabend im brechend vollen Saal des Vereinsheims auf und nahm so manchem Gegner zunächst den Wind aus den Segeln. Eine Überprüfung habe ergeben, dass die Rahmenbedingungen des geltenden Bebauungsplans nicht eingehalten würden, bei der bisherigen Planung wäre eine Vielzahl von Befreiungen notwendig geworden, sagte sie.

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag, die im Auftrag der Stadt München auf dem städtischen Grundstück 85 Wohnungen in acht Häusern mit 27 Stellplätzen für anerkannte Flüchtlinge und Geringverdiener erstellen wollte, muss ihre Entwürfe jetzt umarbeiten. "Vorerst ist wieder alles auf Null gestellt", sagte Heike Kainz. "Wir müssen jetzt abwarten, wie die neue Planung aussieht, zu der die Gewofag auch noch nichts Näheres sagen kann."

Grundsätzliche Kritikpunkte des Gremiums an den Wohnprojekten, mit denen die Stadt schnell preisgünstigen Wohnraum schaffen will, sind die fehlende Unterkellerung und die Anzahl der Stellplätze. Ohne Keller müsse die ganze Technik ins Erdgeschoss, was wiederum Wohnraum koste, sagte Friedrich Schneller (SPD). An der Franz-Albert-Straße kommt für den BA noch das Problem der Erschließung hinzu: Bis dato war der Schwerdweg als einzige Zufahrt in das Areal vorgesehen.

Die Gegner des Projekts, die sich mittlerweile zu einer Bürgerinitiative für den Erhalt der Grünfläche zusammengeschlossen haben, haben nach eigenen Angaben bereits 1200 Unterschriften übergeben und 200 weitere auf Listen. Positiv von der neuen Entwicklung überrascht zeigte sich Cornelia Schwarz-Teuber, Mitglied der Initiative, diskutiert wurde dennoch: "Wir lamentieren nicht in bitteren Tönen gegen die, die sich angeblich ein Rundum-Sorglos-Paket wünschen, sondern sind der Meinung, dass sich das Grundstück für keine Bebauung in irgendeiner Form eignet", sagte sie. Und wie solle Integration gelingen, wenn sich bereits so viele Bürger allein diesseits der Würm gegen die Bebauung ausgesprochen hätten? So, sagte sie, könne man den Neuankömmlingen keinen würdigen Empfang bereiten. Für Cornelia Schwarz-Teuber stehen nicht nur Landschaftsschutz und Verkehrsaufkommen im Vordergrund, sondern auch die Rechte der Nachbarn. "Unsere Kinder müssen bis nach Dachau ausweichen, weil sie sich sonst keine Wohnung leisten können", sagte sie. So entstehe soziale Ungerechtigkeit. "Setzen Sie mal Sollnern so eine Einrichtung zwischen ihre Ein- und Zwei-Millionen-Euro- Grundstücke vor die Nase", empörte sich ein Anwohner aus der Ossannastraße.

Doch nicht alle sind gegen eine Bebauung. Klaus Trapp von der Senioren-Union der CSU las den Antrag einer gesundheitlich verhinderten Frau vor, die auf der Wiese den Bau einer Kinderkrippe und eines Kindergartens vorschlägt, um auf diese Weise bedürftige Kinder, auch aus Flüchtlingsfamilien, zu unterstützen. Andere Anwohner wären mit weniger Bauvolumen und mehr Wohnungen für Familien zufrieden. Christiane Schenk (SPD), Vorsitzende des Unterausschusses "Familie, Bildung und Soziales" und Beauftragte gegen Rechtsextremismus, bezeichnete die Argumente für den Erhalt von Grün als "vorgeschoben". Ihr zufolge gehört Allach zu den Stadtbezirken mit den wenigsten Sozialwohnungen und Sozialhilfeempfängern. "Es geht um Menschen, und die haben auch das Recht, hier zu wohnen", sagte sie.

Rafael Núnez-Kraft von den Grünen sagte, es sei "nicht schamlos, sondern vorbildlich", wenn die Stadt das Grundstück für die Ärmeren der Gesellschaft in Anspruch nehme. Flüchtlinge dürften nicht an den Rand gedrängt werden, sondern müssten in die Stadtteile integriert werden. Viele Bürger stünden dahinter - und immer nur von "jungen männlichen Flüchtlingen" zu sprechen, sei eine "Vorverurteilung": Es gehe auch um armutsgefährdete Gruppen wie Gärtner und Pfleger, Alleinerziehende und Rentner. "Alle diese Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, und zwar in wohlhabenden Idyllen zwischen Einfamilienhäusern und an einem Spielplatz wie bei uns und nicht im Ghetto", sagte er. Und jeder, der sich dort angesiedelt habe, müsse gewusst haben, dass Baurecht besteht.

Sobald die neuen Pläne vorliegen, will Kainz eine Einwohnerversammlung einberufen. In ihr soll auf Wunsch der Anwohner auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) Rede und Antwort stehen. Wichtig sei, sagte Heike Kainz, dass am Ende etwas herauskomme, das allseits verträglich sei.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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