Alarmierende Funde in München:Hakenkreuz im Wohnzimmer

Waffenarsenal in Münchner Wohnung

Bei einem 32-Jährigen entdeckten Polizisten im April ein Waffenarsenal und Bücher, die auf rechte Gesinnung schließen lassen. Es ist lange nicht der einzige Fall dieser Art in der Stadt.

(Foto: dpa)

Steigt die Gefahr rechtsextremer Gewalttaten in München? In der Stadt werden immer häufiger Pistolen, Messer oder Chemikalien bei Menschen gefunden, die eine Affinität zum Rechtsextremismus haben.

Von Florian Fuchs

Sie horten Pistolen, Messer sowie Chemikalien und schmücken ihr Haus mit NS-Devotionalien: In München gibt es eine auffällige Häufung von Waffen- und Sprengstofffunden bei Personen, denen man einen Hang zum Rechtsextremismus unterstellen kann. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Gefahr von rechtsextremen Gewalttaten in der Stadt steigt? Die Polizei sieht keinen Grund zur Besorgnis, argumentiert wie Innenministerium und Verfassungsschutz aber teilweise fragwürdig - und informiert die Öffentlichkeit nur tröpfchenweise über Zusammenhänge.

Vier Fälle aus den vergangenen Monaten sind bekannt. Im Glockenbachviertel versuchte ein 32-Jähriger vergeblich, mit Kanistern voller Spiritus seine Wohnung in die Luft zu jagen. Dann erschoss er sich. In seiner Wohnung fanden Polizisten zwei Glock-Pistolen und 1000 Schuss Munition, dazu Elektroschocker, Messer und weitere Kampfausrüstung.

Erst zwei Monate später teilte das Innenministerium auf Anfrage der Grünen mit, dass der Mann auch Hitlers "Mein Kampf" sowie Bücher über das Oklahoma-Attentat besaß. Ein Rechtsanwalt hortete Waffen, Chemikalien und NS-Devotionalien, ein Arzt besaß Waffen und einen Hakenkreuzwimpel. Und in Schwabing bastelte ein wegen rechter Umtriebe vorbestrafter Mann eine Nagelbombe.

Miriam Heigl von der Fachstelle gegen Rechtsextremismus warnt, dass diese Serie "ein erhebliches Gefährdungspotenzial" offenbare. Sie erkennt durch die Funde von Waffen und NS-Devotionalien vor allem die Tendenz, dass sich in München Personen mit Affinität zu rechter Gesinnung selbst radikalisieren - auch ohne Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Gruppe.

Neben organisierten Neonazis gebe es Waffenfetischisten, die sich zu Rechtsextremen hingezogen fühlen, sagt Robert Andreasch vom Münchner Informationszentrum gegen Rechtsextremismus Aida. Der Oklahoma-Attentäter etwa, über den der 32-Jährige aus dem Glockenbachviertel Bücher besaß, tötete 1995 mit einer Bombe 168 Menschen und wird seitdem in der rechtsextremistischen Szene als Held gefeiert. "Es geht eine Gefahr von Leuten aus, die Einzelkämpfer sein wollen und den führerlosen Widerstand propagieren", sagt Andreasch.

Kein Grund zur Sorge, so die Botschaft

Die Polizei streitet die Gefahr nicht ab. In allen vier Fällen wurde der Staatsschutz eingeschaltet. "Das Polizeipräsidium nimmt Ermittlungen gegen solche Personen sehr ernst", sagt Sprecher Wolfgang Wenger. Die Gefahreneinschätzung, heißt es beim Staatsschutz, habe sich aber in jüngster Zeit nicht geändert. Kein Grund zur Sorge, so die Botschaft. Bei dem 32-jährigen Waffensammler etwa kann die Polizei trotz der Bücher keine rechtsextremistische Gesinnung erkennen. Die Begründung: Die Ausgabe von "Mein Kampf" sowie die Werke über das Oklahoma-Attentat seien ohne Gebrauchsspuren.

Die Einschätzung zeigt, wie schwierig es ist, einem Verdächtigen einen rechtsextremen Hintergrund nachzuweisen. Während man die Begründung der unbenutzten Bücher kaum weiter überprüfen kann, da der Verdächtige tot ist, gibt es beim Schwabinger Nagelbombenbastler Lücken in der Argumentation der Ermittler. Auch er ist tot, kurz nach der Festnahme erhängte er sich in seiner Zelle. Der Mann, der an der rechten Hand ein White-Power-Tattoo hatte, ist aber unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt. In seiner Wohnung brüllte er einmal so laut "Sieg Heil", dass es Passanten auf der Straße hörten.

Laut Aida hatte er in den Neunzigerjahren Kontakte zur damaligen Münchner Altstadtszene. Dieser Kreis von mehr als 100 Rechten wird für viele Straftaten verantwortlich gemacht, einige Mitglieder waren später in der "Kameradschaft Süd" um den Rechtsterroristen Martin Wiese organisiert. Der Staatsschutz beharrt trotzdem darauf, dass der 33-Jährige nicht in rechtsextreme Strukturen eingebunden war. Von den Personen aus den anderen drei Fällen behaupten die Sicherheitsbehörden dasselbe.

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