Prozess:Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung

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Das Gericht entscheidet bei dem Hauptgefreiten der Bundeswehr "im Zweifel für den Angeklagten"

Von Stephan Handel

Die Anspannung löst sich, die Tränen fließen beim Angeklagten: Gerade hat der Staatsanwalt Freispruch beantragt, weil "der Tatnachweis nicht geführt werden konnte" - der Nachweis, dass der Hauptgefreite Carlos B. am 16. September 2016 in der Sanitäts-Akademie der Bundeswehr in Milbertshofen seine Kameradin Barbara M. vergewaltigt hat, als diese betrunken und widerstandsunfähig in ihrem Bett lag.

Der Fall, der vier Tage lang am Landgericht I verhandelt wurde, war insofern ungewöhnlich, als bei Sexualstraftaten meistens zwei Aussagen existieren - die des Täters und die des Opfers. Bei dem verhängnisvollen Aufeinandertreffen der beiden Soldaten war das anders: Der Angeklagte sagte, er habe mit der Frau geschlafen und gemeint, von ihr Signale des Einverständnisses bekommen zu haben. Und die Frau sagt, sie könne sich an nichts mehr erinnern. Die Anzeige kam wohl auf Drängen von Vorgesetzten und Kollegen zustande.

Es wurde gefeiert in der "San-Ak" an jenem Tag, und Barbara M., 23 Jahre alt, feierte kräftig mit - so kräftig, dass sie von zwei Mann mehr oder weniger ins Bett getragen werden musste, nachdem sie innerhalb einer halben Stunde fast einen halben Liter Jägermeister getrunken hatte. Das war gegen 22 Uhr. Rund vier Stunden später soll Carlos B. in das Zimmer gekommen sein, es folgte Geschlechtsverkehr.

Dem medizinischen Gutachter Michael Bedacht kam die Schlüsselposition zu in diesem Verfahren. Sehr detailliert und fundiert legte er dar, dass die Version des Angeklagten durchaus im Bereich des Möglichen liege. Und so war der erste Satz der Urteilsbegründung von Anton Winkler, dem Vorsitzenden Richter: "Dieser Freispruch basiert auf dem Grundsatz ,Im Zweifel für den Angeklagten'." Es ist allerdings möglich, dass doch noch eine Strafe auf Carlos B. wartet: An einem Disziplinarverfahren wird er wohl nicht vorbeikommen. In seinem letzten Wort entschuldigte er sich nicht nur bei Barbara M., sondern auch bei seinem Arbeitgeber: "Es tut mir leid, dass ich die Bundeswehr in ein schlechtes Licht gebracht habe."

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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