Maxvorstadt:Mit neuem Rezept

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Weil die Geschäfte an der Görresstraße immer schlechter gelaufen sind, schließt die Privatbäckerei Wimmer nach fast 90 Jahren ihre erste Filiale. Das Familienunternehmen vermietet die Räume nun als Kita "Brezen-Bande"

Von Pauline Stahl, Maxvorstadt

Etwas wehmütig schaut Martin Wimmer schon, wenn er an die Vergangenheit der ehemaligen Bäckereifiliale an der Görresstraße denkt. Schließlich fingen dort im Jahr 1932 seine Großeltern an, Semmeln zu backen. "Es war alles wahnsinnig beengt", weiß der Geschäftsführer der Privatbäckerei Wimmer aus Erzählungen. Er selbst ist in dem Haus mit der Nummer 32 aufgewachsen. Nun musste das Münchner Familienunternehmen, das mittlerweile 50 Filialen hat und 600 Mitarbeitern beschäftigt, seine erste Filiale schließen. Weil sich das Umfeld in der Straße verändert hat, verlor auch die Bäckerei ihre Kunden. "Es war zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig", sagt Wimmer. Die Buchhandlung, den Schuster und die Wirtschaft um die Ecke - all das gebe es nicht mehr. "Da haben wir uns überlegt, dass das nicht so wirklich eine Zukunft hat."

Trotzdem er traurig ist, die Filiale dicht machen zu müssen, hat der Inhaber die Situation ins Positive gewendet. Denn die Räume der ehemaligen Bäckerei werden von September an der achte Münchner Standort der Kinderbetreuung Sira. Wo vor fast 90 Jahren noch seine Großeltern ihr Schlafzimmer hatten, werden Kleinkinder ihr Mittagsschläfchen halten. "Kinder sind die Zukunft", sagt Wimmer, "so ist das aus unserer Sicht eine schöne Fortnutzung". Durch die Kooperation mit der Großtagespflegestelle, die speziell "Mini-Kitas" für Arbeitgeber anbietet, haben Angestellte der Bäckerei außerdem die Möglichkeit, dort ihre Kinder während der Arbeitszeit unterzubringen. "Das hat uns so gut gefallen, dass wir gesagt haben, wir machen das jetzt", sagt der Geschäftsführer. Von der Idee brachte ihn auch nicht ab, dass auf eine Bedarfsabfrage bei seinen Mitarbeitern zunächst gar keine Resonanz folgte. Denn darin sieht die Geschäftsführerin von Sira, Christina Ramgraber, kein Hindernis. "Wir sind für Wimmer-Kinder offen, da gibt es aber eben noch nicht so viele." Eine erste Kooperation gebe es allerdings schon mit "Cadbauteam", einem Unternehmen gegenüber der ehemaligen Bäckereifiliale.

Martin Wimmer und Christina Ramgraber wollen die ehemalige Wimmer-Filiale sinnvoll nutzen. (Foto: Florian Peljak)

Für sie sei der neue Standort eine tolle Möglichkeit, sagt Ramgraber. "Grundsätzlich sind wir immer auf der Suche nach Räumlichkeiten." Außerdem habe sie großes Interesse daran, dass Arbeitgeber die Kinderbetreuung ihrer Mitarbeiter unterstützen. "Da profitieren alle davon." Die Eltern, weil sie Beruf und Familie vereinbaren können, die Kinder, weil sie eine hochwertige Betreuung bekommen und der Arbeitgeber, weil Mitarbeiter nach der Elternzeit einfacher wieder in den Beruf einsteigen können.

Wo von Herbst an Kinderbettchen, Tische, Stühle und Spielsachen stehen sollen, ist momentan noch Baustelle. Auf gut 80 Quadratmetern werden laut Ramgraber Boden, Heizung und Sanitäranlagen erneuert, "das meiste an Elektrik ist aber schon da". Während die Stadt die Kosten für die Kindertagesstätte im laufenden Betrieb übernehmen wird, finanziert den Umbau zum größten Teil Wimmer selbst. "Herr Wimmer hängt sich da sehr rein", sagt Ramgraber dankbar. Der Inhaber, selbst Vater von zwei Kindern, weiß, wie schwer Familie und Beruf mitunter vereinbart werden können. "Und nach dem ,was man so hört, gibt es bei der Kinderbetreuung einen Engpass", sagt er. Ramgraber nickt bestätigend. Die "Brezen-Bande", wie die Kita heißen soll, ist somit nicht nur ein neues Kapitel in der Geschichte des Unternehmens. Auch sei es ein weiser Schritt in einer Zeit, in der Arbeitskräfte Mangelware seien. Und mittlerweile hat sich auch eine Bäckerei-Mitarbeiterin gefunden, die momentan in Elternzeit, danach aber auf der Suche nach einem Kitaplatz ist.

Die ehemalige Wimmer-Filiale war früher eine Bäckerei, momentan eine Baustelle, bald eine Kita. (Foto: Privat)

Für die geschichtsträchtige Filiale in der Görresstraße hat Martin Wimmer mit der Kita eine sinnvolle, generell für alle Familien offene Nutzung gefunden. Was bleibt, ist das grundsätzliche Problem eines Strukturwandels im Geschäft der Semmeln, Brote und Kuchen. "Der Marktanteil von Bäckereien ist stark gesunken", sagt Wimmer. Jeder Lebensmittelladen biete mittlerweile Backwaren an, die natürlich günstiger seien als in Bäckereien.

© SZ vom 17.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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