Bericht über Martinsried:Schaut auf dieses Dorf

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Auf 16 Seiten erzählt das weltweit erscheinende Magazin "Deutsch perfekt" Geschichten aus Martinsried. Berichtet wird über den Metzger nebenan ebenso wie über Biotechnologie und das Max-Planck-Institut

Von Franziska Gerlach, Martinsried

In diesen Tagen geht Martinsried um die Welt und wird wohl bald eine internationale Berühmtheit sein. Denn dann wissen die Menschen in Rio de Janeiro, Neu-Delhi, Rom und anderswo womöglich, wie der Martinsrieder Maibaum aussieht oder was die "Bio Kids" sind. Auch Namen wie "Mostarda" oder Elly Seidl sagen ihnen dann vielleicht etwas. Vorausgesetzt, sie haben das Magazin Deutsch perfekt gelesen.

Das weltweit größte Magazin für alle, die rund um den Globus Deutsch lernen wollen, greift Themen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz auf. Wer durch die Dezember-Ausgabe blättert, stößt etwa auf einen langen Text übers Plätzchenbacken, einen kurzen über die neuerlichen Präsidentschaftswahlen in Österreich sowie die Probleme der Deutschen Bahn.

Insgesamt 16 Seiten des Magazins, das in mehr als 100 Ländern gelesen wird, befassen sich aber ausschließlich mit Martinsried. Ganzseitige Fotos, Interviews und kurze Artikel umfasst die Sonderstrecke, die als Spezial auf dem Cover angekündigt ist. Zweiundhalb Wochen lang recherchierten die Redakteurinnen Claudia May und Eva Pfeiffer in der Gemeinde - in Kinderkrippen, bei Senfherstellern, bei Bürgermeister Heinrich Hofmann (SPD) haben sie dem Geist von Martinsried nachgespürt. "Ich fand es spannend, aus wie vielen Perspektiven man auf einen Ort schauen kann", sagt Pfeiffer. Dabei herausgekommen sind Geschichten aus der eigenen Nachbarschaft, denn: Deutsch perfekt erscheint im Spotlight-Verlag, der in Martinsried zuhause ist.

Aus Martinsried in die Welt: "Deutsch perfekt"-Chefredakteur Jörg Walser mit den Redakteurinnen Claudia May und Eva Pfeiffer (v. l.). (Foto: Stephan Rumpf)

Martinsried als Blaupause also. Allerdings ging es der Redaktion bei der Sonderstrecke nicht darum, das Bild einer typisch deutschen Gemeinde zu vermitteln. Dafür, findet Chefredakteur Jörg Walser, eignet sich Martinsried auch gar nicht. Stattdessen dient Martinsried als Beispiel für ein Cluster in Deutschland. Denn dass es auch hierzulande erfolgreiche Cluster gibt und nicht nur im Silicon Valley, wüssten viele gar nicht, sagt Walser: "Und eines, das deutschlandweit ganz weit vorne ist, ist Martinsried. "

Was ein Cluster eigentlich ist, erfahren die Leser dann gleich zu Beginn des Textes - ein Ort, an dem sich viele Firmen und Institutionen eines Bereichs ergänzen. Im Fall von Martinsried, so heißt es weiter, sind das Pharma-und Biotechnologiefirmen, zwei Max-Planck-Institute sowie naturwissenschaftliche Fakultäten der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU).

Eigens erklärt wird der Begriff Cluster aber nicht, es ist ein internationales Wort, das sich Deutschlernende selbst gut erschließen können. Anders als etwa "Matratze", was als "Teil des Bettes aus weichem Material, auf dem man liegt" in einem nebenstehenden Glossar beschrieben wird. Rund 800 Worterklärungen dieser Art formuliert eine Mitarbeiterin der Sprachredaktion in jedem Monat für Deutsch perfekt. Und immer wieder müssen sich die Autoren beim Schreiben klar machen, dass bestimmte grammatikalische Formen einfach nicht vorausgesetzt werden dürfen.

Schön gemachte 16 Seiten: Großformatige Fotos und kurze Texte finden sich im Magazin "Deutsch perfekt". (Foto: Stephan Rumpf)

Im Heft finden sich Texte auf drei Sprachniveaus: leicht, mittel und schwer. Die Vergangenheitsform Präteritum versteht ein Anfänger aber noch nicht, ebenso wenig Relativsätze und Passiv. Klar und verständlich schreiben, das ist die Herausforderung. Und auch wenn die Journalisten am liebsten Texte abliefern, die auch ein Muttersprachler gerne liest, so ist ein Sprachmagazin nicht der richtige Ort zur Pflege großen Autorentums. Allzu eitel, so Eva Pfeiffer, sollte man nämlich nicht sein. Zugleich achtet sie darauf, nichts als normal vorauszusetzen, denn: Dass Gäste eines Tisches im Restaurant hierzulande zum Beispiel auf getrennten Rechnungen beharren, das weiß man in anderen Ländern schlichtweg nicht.

May und Pfeiffer dagegen kannten Martinsried bereits als ihren täglichen Arbeitsort, aber während ihrer Recherche-Streifzüge staunten sie dennoch. Denn den Metzger zu interviewen, ist eben etwas anderes, als einfach nur bei ihm einzukaufen. Und wie May erzählt, hätten sie außerdem festgestellt: "Es ist alles miteinander verbunden, und trotzdem liegen oft Welten zwischen dem Wissenschaftscampus und den alteingesessenen Familien."

Sie hat sich dann sogar hingesetzt und für Deutsch perfekt das Geflecht der örtlichen Beziehungen nachgemalt: Vom Gemeinderat Roderich Peter (SPD) führt ein Pfeil zur Sportbar "Happy Billard", in der dieser oft Fußball schaut. Die Kinderkrippe Eulennest ist mit dem Baumarkt verbunden, weil dort wiederum deren Kekse verkauft werden. Und von dem Innovations- und Gründerzentrum (IZB) gehen natürlich gleich mehrere Pfeile ab - schließlich ist es, so ist im Heft zu erfahren, "der Hot Spot für Life Science". Ein idealer Ort zum Netzwerken und heiß begehrt bei Start-ups, die das Gründerzentrum gerade wegen seiner Nähe zu Wissenschaftlern gerne als Startrampe für einen Karrieresprung nutzen, der schon mal von Martinsried über den großen Teich führt.

Auch Martinsried hat in den vergangenen Jahrzehnten einen gewaltigen Satz gemacht. Wie rasant die Gemeinde in den Siebziger- und Achtzigerjahren gewachsen ist, wissen in Martinsried bereits Grundschüler. Manche von ihnen haben womöglich sogar schon einmal gehört, dass die damalige Stadtplanung bis heute kritische Stimmen auf den Plan ruft. Man habe mit der Sonderstrecke aufzeigen wollen, welche Entwicklung ein kleines bayerisches Bauerndorf hinlegen kann, wenn dort die Postmoderne einziehe, sagt Chefredakteur Walser. Den Leser in Brasilien und Indien wird das sicher überraschen. Und genau das will Deutsch perfekt mit seinen Themen aus unterschiedlichen Ländern und Regionen auch - überraschen. Sonst könnte man ja das ganze Jahr über Berlin-Geschichten bringen ...

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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