Whisky-Kenner Frank Böer:"München ist weltweit vorne dabei"

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Frank Böer ist Veranstalter und ausgezeichneter Whisky-Kenner - seit Jahren macht er sich um den Ruf seiner Heimat als Bar-Metropole stark.

Bernhard Blöchl

Frank Böer, Jahrgang 1964, hat eine Mission: Er möchte die Münchner davon überzeugen, dass sie in einer Bar-Stadt von Weltrang leben. Auch deshalb veranstaltet er seit 2005 das Whisky- und Bar-Festival, das von Freitag bis Sonntag, 18. bis 20. Februar, im MVG-Museum, Ständlerstraße 20, über die Bühne geht. Für seine Verdienste um den Whisky wurde Böer vor einem Jahr zum Ehrenmitglied in der "Scotch Malt Whisky Society" ernannt.

"München hat eine höhere Dichte an Top-Bars als die Bar-Metropole London", findet Frank Böer. Einzig der Münchner weiß noch nichts von seinem Glück. (Foto: oh)

Herr Böer, Sie haben an der LMU Politik studiert und waren Unternehmensberater, bevor Sie sich voll und ganz den Sinnesfreuden widmeten. Wie wurde aus Ihnen ein Genussmensch?

Das war ich schon immer. Also nicht diese Abgespreizte-Finger-Nummer, das nie. Aber ich habe immer schon gerne eine gute Zigarre geraucht und irgendwann mit der Pfeife angefangen, weil mich dieses Ritualhafte faszinierte. Als ich bei der Unternehmensberatung war, bin ich mit Kollegen hin und wieder auf einen Whisky gegangen. So entstand die Affinität zum Thema.

Hinter jedem Whisky steckt eine Geschichte. Was ist Ihre Geschichte? Erinnern Sie sich an den Moment, als Sie sich in Whisky verliebt haben?

Das war 1999, als ich einen "Kentucky Four Roses" bestellt habe, einen Bourbon. Beim Trinken dachte ich mir: Menschenskinder, der schmeckt ja super! So fing das an.

Inzwischen sind Sie ein Kenner, der selbst Tastings anbietet. Wie haben Sie gelernt, bewusst zu schmecken?

Im Grunde ist das ganz einfach: Wenn du fünf Gläser Whisky vor dir hast, dann hast du zwar fünfmal denselben Drink, nämlich Whisky, aber du hast fünf völlig unterschiedliche Welten. Das hat mich kolossal fasziniert, diese unglaubliche Vielfalt! Ich habe mich einmal mit einem berühmten Menschen aus der Whisky-Szene unterhalten, der inzwischen eine 40-jährige Karriere hinter sich hat, und der sagte mir, dass ein Leben nicht ausreicht, diese Nuancen zu erspüren.

Und wie bringt man das anderen bei?

In den Tastings stelle ich fest: Die Leute haben ein enormes Gespür für Schönheit. Ich präsentiere ihnen fünf Whiskys, also fünf völlig verschiedene Gerüche, Geschmäcker und Geschichten. Selbst wenn hinterher einige sagen: Whisky wird nicht so mein Ding, so bekommen sie dennoch ein Gefühl für die Vielfalt.

Sind Sie der Ansicht, dass wir generell nicht bewusst genug schmecken?

Ich glaube schon, dass es hin und wieder an Bewusstheit fehlt. Aber ich glaube auch, dass sehr viele Leute offen sind für die Philosophie des Genusses - und zwar völlig unabhängig vom Einkommen. Das erlebe ich oft bei uns, dieses Miteinander von Metro und Dallmayr: Sparen einerseits, sich etwas gönnen andererseits. Die Bereitschaft, zu genießen, ist vorhanden, aber das Bewusstsein benötigt manchmal einen kleinen Stups.

Eine Ihrer Lieblingsthesen ist: München sei, neben Berlin, die wichtigste Bar-Stadt in Deutschland. Was hat München den anderen voraus?

Ganz einfach: München hat, gemessen an der Einwohnerzahl, eine höhere Dichte an Top-Bars als die Bar-Metropole London. Das ist Punkt eins. Zweitens kommen drei der wichtigsten Bar-Legenden Deutschlands aus München: Bill Deck mit seiner Pusser's Bar in der Falkenturmstraße, der hier Anfang der siebziger Jahre, zu den Olympischen Spielen, die erste Cocktailbar in München aufgemacht und quasi das Licht angezündet hat. Zu einer Zeit, als wir - das ist liebevoll gemeint - noch Bier aus Steinkrügen gesoffen haben, hat Bill amerikanische Cocktail-Kultur in die Stadt gebracht. Dann natürlich Charles Schumann. Und der Dritte im Bunde ist Mauro Mahjoub vom Negroni-Club, der vor ein paar Jahren Vize-Weltmeister war.

Wie ist es um den Nachwuchs in der Bar-Keeper-Szene bestellt?

Das ist ein weiterer Punkt, der für München spricht: die Tatsache, dass sich hier in den vergangenen vier Jahren eine hochaktive Bar-Keeper-Szene entwickelt hat. Mit sehr guten Leuten - nicht zuletzt durch den Bar-Zirkel, den Bund der besten Bartender. Deshalb kann man mit Fug und Recht behaupten, dass wir mit München und Berlin zwei der mit Abstand aktivsten Städte in Europa haben. Da sind wir auch weltweit vorne dabei.

Das klingt phantastisch. Aber weiß der Münchner überhaupt, was er da hat?

Nein. Deshalb ist es eine meiner vornehmsten Aufgaben, das zu ändern. Ich möchte mit dem Festival, das jedes Jahr mehr Besucher anlockt, erkunden, wo die Grenze liegt. Auch weil ich der Meinung bin, dass unsere Stadt den guten Ruf verdient hat. Ich weiß, wenn die Münchner erst einmal in die Gänge kommen, sind sie ganz vorne dabei. So muss das auch im Bewusstsein für die Barkultur sein. Interview: Bernhard Blöchl

© SZ vom 16.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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