Ukraine-Konflikt:Keine Entspannung

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Die Ankündigung, dass russische Soldaten von der Grenze zur Ukraine und der russisch besetzten Krim wieder abgezogen werden, löst kein politisches Tauwetter aus. Denn Russlands Präsident Putin setzt seine Aggressionspolitik fort.

Kommentar von Florian Hassel, Warschau

Mitte Dezember wurde Teile der russischen Armee mit ihren Panzern in der Region Rostow zusammengezogen - für Übungszwecke, wie es damals hieß. (Foto: SERGEY PIVOVAROV/REUTERS)

Wer glaubt, die Ankündigung eines Abzuges von rund 10 000 russischen Soldaten von der Grenze zur Ukraine und der russisch besetzten Krim signalisiere in der Ukraine-Krise den Anfang eines politischen Tauwetters, dürfte sich täuschen - und das nicht nur, weil die russische Schwarzmeerflotte gleichzeitig die Erstürmung der ukrainischen Küste übte.

Wichtiger noch sind Wladimir Putins Aussagen, dass er eine unabhängige Ukraine ebenso ablehnt wie Gespräche mit seiner heutigen Führung unter Präsident Wolodimir Selenskij. Vor Gesprächen mit Nato und dem Weißen Haus stellt der russische Präsident die Genese von Krieg und Antwort auf den Kopf. In seiner Jahrespressekonferenz vor Weihnachten bekräftigte Putin seine schon im Juli in einem neoimperialistischen Manifest formulierte Ablehnung ukrainischer Eigenständigkeit. Damit wiederholte er die Geschichtsklitterung, nicht die Ukrainer hätten ihren Staat geschaffen, sondern der sowjetische Revolutionsführer Lenin.

Ein Bruch des Völkerrechts

Putin bekräftigte auch Moskaus Anspruch auf die angeblich "historischen russischen Territorien mit der Bevölkerung des historischen Russlands" in der Ostukraine - und womöglich darüber hinaus. Putin lässt dabei einiges unter den Tisch fallen: Dass Russland die Krim in einem üblen Bruch des Völkerrechts besetzt hat; ebenso wie die Tatsache, dass Moskau von 2014 an den Krieg in der Ostukraine organisiert hat.

Das berechtigte Ansinnen der Ukrainer, wie zuvor Balten, Polen oder Rumänen Sicherheit gegen Moskau in der Nato zu suchen, wird von Putin als angebliche Gefahr eines "Anti-Russland" gebrandmarkt. Das ist politische Demagogie, der selbst in Deutschland leider viele auf den Leim gehen. Die Forderung Putin nach Sicherheitsgarantien im Zusammenhang mit der Ukraine ist umso absurder, als es ja Russland ist, das auf der Krim eine machtvolle Streitmacht aufgebaut hat, nicht Kiew.

Mit seinem Verlangen nach einer Garantie auf einen Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt stellt Russlands Präsident eine Forderung, von der er von vornherein weiß, dass diese bei den Gesprächen mit den USA und den Vertretern des Bündnisses nicht erfüllt werden wird - allein schon, weil weder das Weiße Haus noch die Nato für die Ukrainer entscheiden können. Freilich ist weder in den USA noch bei anderen Nato-Ländern die Bereitschaft da, den Ukrainern tatsächlich militärisch effektiven Beistand zu leisten, der über eher symbolische Hilfen wie ein paar Javelin-Panzerabwehrlenkwaffen hinausgeht.

Ein hoher Preis für Moskau

Nur Putin weiß, ob er die Forderung nach einem formellen Verzicht auf eine Nato-Mitgliedschaft nur gestellt hat, weil er sich ihrer Ablehnung sicher ist und so zumindest dem heimischen Publikum einen Angriff auf die Ukraine mehr schlecht als recht rechtfertigen könnte. Sicher, die Kosten für Russland wären hoch, etwa wenn US-Präsident Joe Biden die angeblich im Raum stehende Drohung wahr machen und Russland aus dem internationalen Zahlungsverkehrssystem ausschließen würde. Doch die Kassen Moskaus sind gut gefüllt.

Aber je länger Russland mit einem Versuch wartet, die Dominanz über die Ukraine wiederherzustellen, desto schwieriger dürfte dies werden: wegen der Modernisierung der ukrainischen Armee und des durch Russlands Aggression erst recht wachsenden Nationalbewusstseins.

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