Profil:Er ist wieder da

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Rachele Mussolini, Enkelin des italienischen Faschistenführers, sieht keine Gründe, sich von ihrem Großvater zu distanzieren. (Foto: Andrea Ronchini/picture alliance / NurPhoto)

Rachele Mussolini, die Enkelin des "Duce", hat bei den römischen Kommunalwahlen für den Gemeinderat die meisten Stimmen erhalten. Ein Gruß aus finsterster Vergangenheit.

Von Oliver Meiler

Ein Name wie ein Donnerschlag aus der Vergangenheit, der trübsten: Rachele Mussolini, Enkelin des italienischen Faschistenführers und Mitglied der post-, alt- oder noch-immer-faschistischen Partei Fratelli d'Italia, hat bei den römischen Kommunalwahlen von allen Bewerberinnen und Bewerbern für den Gemeinderat die meisten Stimmen erhalten. "Rekord!", titeln die italienischen Zeitungen, sehr ernst nehmen sie die denkwürdige Notiz aber nicht.

Die "Reality-Show der Familie Mussolini" dauere schon so lange an, schreibt das römische Blatt Il Messaggero, dass man sich über nichts mehr wundere. Nun, vielleicht sollte man sich weiterhin darüber wundern, dass der "Cognome pesante", der schwere Nachname, wie die Italiener sagen, so viele in der alten und wiederbelebten Rechten des Landes noch immer verführt. Was wäre wohl los, wenn in einer anderen europäischen Hauptstadt der direkte Nachfahre oder die Nachfahrin eines Finsterlings des vergangenen Jahrhunderts Triumphe mit dessen Namen feierte?

Im Fall von Rachele Mussolini, 47 Jahre alt, Tochter des Jazzmusikers Romano, Viertgeborener des Duce, ist sogar der Vorname schwer: Rachele hieß auch die Frau Mussolinis. Man nannte sie Donna Rachele, als wäre sie eine Aristokratin. Sie soll noch radikaler gedacht haben als ihr Mann.

...und ewig lockt das große M. Das M ist eine Marke

Die Enkelin aber ist überzeugt, dass sie trotz und nicht wegen ihres Namens so viele Stimmen gewonnen hat. Sie sitzt schon seit fünf Jahren im Gemeinderat, kümmert sich vor allem um die Peripherie, und da habe sie gezeigt, dass sie eine fähige Politikerin sei. Natürlich ist das eine fromme Interpretation des Wahlresultats. Ewig lockt das große M. Das M ist eine Marke.

Vor Rachele brachte es schon ihre ältere Stiefschwester weit mit dem Namen. Alessandra Mussolini wurde mehrfach in die italienische Abgeordnetenkammer gewählt, einmal in den Senat, dann auch ins Europaparlament. Die beiden Schwestern reden kaum miteinander, sie bewegen sich politisch auch auseinander. Alessandra ist nach ihren Auftritten in einer Tanzshow im Fernsehen wie ausgewechselt: Sie macht sich nun für die Rechte der LGBT stark, mit Regenbogenfahne. Ein Neffe der beiden bewarb sich vor zwei Jahren für einen Sitz im Europaparlament, der frühere Marineoffizier trägt einen Namen, wie ihn sich der Duce mit seinem Hang zum altrömischen Reichswahnsinn nicht besser erdacht haben könnte: Caio Giulio Cesare Mussolini. Reichte dann doch nicht ganz.

Geändert hat sie den Nachnamen nie. Dabei wäre das so einfach gewesen

Als Kind, erzählte Rachele Mussolini nun der Repubblica, habe man mit dem Finger auf sie gezeigt, wegen des Namens. "Dann ist aber Rachele in mir stark geworden." Geändert hat sie den Nachnamen nie, obwohl das einfach gewesen wäre: Das Einwohneramt hätte bestimmt ein Einsehen gehabt. Ihr Vater trat zu Beginn seiner Karriere als Pianist unter Pseudonym auf. "Danach trug er seinen Namen aber mit viel Würde", sagt die Tochter. Die Zeitung fragte sie, was sie vom Faschismus halte, dem "Ventennio", der zwanzigjährigen Diktatur ihres Großvaters. "Um dieses Thema anzugehen, müssten wir bis morgen reden." Das ist die übliche Antwort in diesen Kreisen, der Trick, um den Faschismus nicht verurteilen zu müssen. Auch die Parteichefin der Fratelli d'Italia, Giorgia Meloni, sagt immer: weites Feld, dafür fehle die Zeit. Der Corriere della Sera schreibt: "Die Diskussion könnte eigentlich ganz kurz ausfallen."

Ein bisschen Aufregung gibt es nun wegen eines Fotos in den sozialen Medien, das Rachele Mussolini mit einem Blatt Papier vor der Brust zeigt, darauf hat sie mit einem dicken schwarzen Filzstift den folgenden Spruch geschrieben: "Am 25. April feiere ich nur den heiligen Markus!!" Das "nur" hat sie unterstrichen. Der 25. April ist ein italienischer Feiertag, die Italiener begehen dann jeweils die Befreiung von den Nazis und den Faschisten, 1945.

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