Profil:Debra Haaland

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(Foto: Bonnie Cash/AFP)

Erste indianischstämmige Politikerin auf dem Weg ins Kabinett.

Von Hubert Wetzel

Als Donald Trump vor vier Jahren das Oval Office bezog, ließ er dort ein Porträt von Andrew Jackson aufhängen. Jackson war von 1829 bis 1837 Präsident, und er ist unter anderem dafür bekannt, dass er Zehntausende Indianer aus dem Südosten der Vereinigten Staaten auf brutale Weise nach Westen vertreiben ließ. Auf diesen Todesmärschen, die als "Trail of Tears" in die Geschichte eingeganen sind, als "Weg der Tränen", kamen Tausende Menschen ums Leben.

Man kann daher vielleicht ermessen, was es bedeutet, dass Trumps Nachfolger Joe Biden die demokratische Abgeordnete Debra Haaland als künftige Innenministerin nominiert hat. Haaland gehört den Laguna an, einem Stamm der Pueblo-Indianer, die im Südwesten der USA leben. Die 60-Jährige, für deren Ernennung sich vor allem der linke Flügel der Demokraten eingesetzt hatte, wäre die erste indianischstämmige Politikerin auf einem Kabinettsposten. Dass sie zudem das Department of the Interior leiten soll, ist doppelt symbolträchtig. Denn anders als zum Beispiel in Deutschland ist das Innenministerium in den USA nicht für innere Sicherheit, Sport oder Bau zuständig, sondern in gewisser Hinsicht für die bitteren Teile der amerikanischen Geschichte: Es verwaltet das Land, das die Bundesregierung vor allem im Westen der USA besitzt, und die Menschen, denen dieses Land von den Weißen einst weggenommen wurde - die Indianer.

Als alleinerziehende Mutter zum Jura-Abschluss

Haaland wurde in Winslow, Arizona, geboren. Ihre Mutter, eine Pueblo-Indianerin, diente in der Marine, ihr Vater, dessen Familie aus Norwegen stammte, war Offizier der Marineinfanterie. Er kämpfte in Vietnam, wurde hoch dekoriert und liegt auf dem Nationalfriedhof in Arlington begraben. Haalands Eltern zogen oft um, sie musste ständig die Schule wechseln, ihren Abschluss machte sie schließlich in Albuquerque, New Mexico. Danach studierte Haaland an der University of New Mexico, was als alleinerziehende Mutter nicht leicht war. Haaland musste sich mit verschiedenen Jobs durchschlagen, es gab Zeiten, in denen sie und ihre Tochter von food stamps lebten, von staatlicher Lebensmittelhilfe. 2006 schloss Haaland ihr Jurastudium ab und fing an, in der Stammesverwaltung der Laguna zu arbeiten.

Haalands politische Karriere begann 2012. Sie machte Wahlkampf für Barack Obama, später übernahm sie den Vorsitz der Demokratischen Partei in dem Bundesstaat. 2018 kandidierte sie für einen Sitz im US-Abgeordnetenhaus und gewann. Haaland und ihre Kollegin Sharice Davids aus Kansas waren damals die ersten indianischstämmigen Politikerinnen, die in den Kongress eingezogen.

Das Innenministerium wird die Interessen der Indianer nun ernster nehmen

Das Verhältnis zwischen den einstigen Ureinwohnern Amerikas und dem modernen Staat, in dem sie heute leben, ist kompliziert. Das fängt bei Begriffen an. Die offizielle Bezeichnung für die Ureinwohner - Native Americans - ist nicht unumstritten. Aus Sicht vieler Indianer sind die "Amerikaner" die Weißen, die Eroberer, die ihnen ihr Land geraubt haben. Und das Department of the Interior ist bis heute das bürokratische Symbol für diesen Raub. Es gibt dort das Bureau of Indian Affairs, das die Menschen in den Indianerreservaten unterstützen soll. Trotzdem sind diese Reservate oft von Armut, Krankheiten, Drogen und Kriminalität zerrüttet. In der Corona-Pandemie wurde diese Vernachlässigung offensichtlich: Die Todesraten waren bei den Indianern deutlich höher als bei den weißen Amerikanern.

Ob Haaland Probleme lösen kann, die seit Generationen bestehen, ist offen. Im Gegensatz zur Trump-Zeit wird das Innenministerium unter ihrer Führung aber die Interessen der Indianer deutlich ernster nehmen. Dass Washington noch einmal gegen den Willen der örtlichen Stämme Nationalparks verkleinert, die für die Indianer heilig sind, damit das Land dort wirtschaftlich genutzt werden kann, ist in Zukunft unvorstellbar. Haalands Sicht auf die Geschichte kann man einem alten Foto entnehmen, das derzeit im Internet kursiert. Sie steht darauf neben einem Auto, auf dessen Rückscheibe zu lesen ist: "Columbus was lost" - Christopher Kolumbus hatte sich, als er Amerika "entdeckte", schlicht verfahren.

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