Großbritannien:Jede Party endet einmal

Lesezeit: 1 min

Die Amtszeit von Premier Johnson ist nicht arm an Skandalen, doch diesmal könnte es ernst werden.

Von Michael Neudecker

Das Wort "Rücktritt" fiel am Mittwoch nicht zum ersten Mal im britischen Parlament in Zusammenhang mit Boris Johnson. Ian Blackford, der wortgewaltige Führer der schottischen Nationalisten im Unterhaus, forderte Johnson schon vergangene Woche dazu auf, da war die Geschichte einer verbotenen Party am Regierungssitz erstmals aufgekommen. Man muss daraus nun nicht gleich ableiten, dass Johnsons Ende als Premier nahe ist. Bisher hielten die Wähler weitgehend treu zu Johnson, was auch mit dem Auftreten des stets klugen, aber wenig mitreißenden Labour-Gegenspielers Keir Starmer zu tun hat. Nur: Erstmals in der an Kritik nicht armen Amtszeit Johnsons erscheint es unwahrscheinlich, dass sich die Sache einfach von selbst verflüchtigt.

Dass die Party stattfand, ist angesichts der Quellenlage kaum zweifelhaft. Aber kann es sein, dass der Premierminister, der nicht nur seinen Amtssitz in Downing Street hat, sondern auch dort wohnt, nichts davon wusste, dass im selben Gebäude eine größere Feier seiner Top-Team-Mitglieder stattfand? Und was sagt es aus über den Tonfall in Johnsons Regierung, wenn seine Mitarbeiter sich so sicher fühlen, dass sie in einem Presseraum voller Kameras Witze über verbotene Partys reißen, während draußen das Land leidet? Hinzu kommen frühere Verfehlungen wie die Schottlandreise von Johnsons Ex-Berater Dominic Cummings während eines Lockdowns oder die außerehelichen Beschäftigungen des Gesundheitsministers trotz strenger Kontaktbeschränkungen: Wie also sollen die Briten einer Regierung vertrauen, die nun nicht zum ersten Mal ihre eigenen Regeln gebrochen hat?

Kommende Woche findet im Westen Englands eine Nachwahl statt, die eine erste Antwort geben könnte. Der bisherige Abgeordnete Owen Paterson war kürzlich in die Schlagzeilen geraten wegen fragwürdiger Nebengeschäfte. Boris Johnson hatte ihn öffentlich unterstützt, konnte aber auch nicht verhindern, dass Paterson zurücktreten musste.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: