Katholische Kirche:Und die Brüder schweigen

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Kardinal Gerhard Ludwig Müller spricht von "Gleichschaltung" und benutzt antisemitische Chiffren. Die Kirche darf das nicht unwidersprochen lassen.

Kommentar von Annette Zoch

Ob Kardinal Gerhard Ludwig Müller schon seinen eigenen Telegram-Kanal hat? Es wäre zumindest naheliegend angesichts dessen, was der ehemalige oberste Glaubenshüter der katholischen Kirche jüngst so verbreitet hat. In einem Interview hatte Müller zu den Corona-Maßnahmen gesagt, diese seien "geboren aus dem Willen, die Gelegenheit zu nutzen, die Menschen jetzt gleichzuschalten und einer totalen Kontrolle zu unterziehen". Betrieben werde dies von Menschen, die nun "ihre Agenda" durchsetzen wollten und "auf dem Thron ihres Reichtums sitzen", Müller nennt den Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, Microsoft-Gründer Bill Gates und den amerikanischen Investor George Soros.

Damit ist er nun endgültig in den Reihen der Verschwörungsideologen angekommen: Indem Müller von Gleichschaltung spricht, zieht er einen Vergleich zum Nationalsozialismus und verharmlost diesen. Die Erwähnung von George Soros wiederum ist eine klar antisemitische Chiffre. Als "nicht akzeptabel" und "verantwortungslos" hat deshalb auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Aussagen Müllers bezeichnet. Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, fordert vom Vatikan und den deutschen Bischöfen eine klare Distanzierung.

Allerdings wartet man bisher vergeblich. Die Mitbrüder schweigen - in Deutschland wie in Rom. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass Müller den Nationalsozialismus relativiert und Verschwörungsideologien verbreitet. Und: Er ist zwar nicht mehr Präfekt der Glaubenskongregation, er ist aber auch nicht irgendwer. Erst im Februar berief ihn Papst Franziskus als Richter an die Apostolische Signatur, das höchste Kirchengericht, er darf über den nächsten Papst abstimmen und er ist Mitglied in einigen Vatikanbehörden, darunter der Bildungskongregation. Ausgerechnet.

Ein hoher katholischer Geistlicher beteiligt sich an Versuchen, die Gesellschaft mit Hass und Desinformation zu spalten und die Demokratie auszuhöhlen. Das darf nicht unwidersprochen bleiben.

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