Polen:Ein bisschen bezahlen

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Brüssel will endlich, dass die Warschauer Regierung für den Abbau des Rechtsstaats bestraft wird. Aber ob's was nützt.

Von Florian Hassel

Die Europäische Kommission hat beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) den Antrag gestellt, Strafen gegen Polen zu verhängen - damit tut sie endlich das, was sie schon seit 2016 hätte tun müssen. Aber jahrelang ließ sie sich mit Ausflüchten und Vertröstungen Warschaus abspeisen. Angetrieben vor allem vom Europäischen Parlament, lässt Ursula von der Leyens Behörde die nationalpopulistische Regierung Polens endlich spüren, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes dafür bezahlen muss, wenn sie den Rechtsstaat abbaut.

Der EuGH dürfte dem Strafantrag folgen; schließlich wurde der gestellt, weil Warschau eine Anordnung nicht befolgte, die der Gerichtshof am 14. Juli erließ: Die Regierung dort sollte eine rechtswidrige Disziplinarkammer auflösen und mehrere Gesetze aufheben, die die Unabhängigkeit von Richtern abschaffen. Allerdings wird die Geldbuße - im Gespräch sind mehrere Hunderttausend Euro täglich - kaum hoch genug sein, um Polens faktischen Regierungschef Jarosław Kaczyński tatsächlich von seinem Ziel abzubringen: sich die gesamte Justiz unterzuordnen.

Bisher gibt es vonseiten Warschaus faktisch keinerlei Nachgeben. Im Gegenteil, Justizminister-Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro ließ bereits erkennen, dass ihm der Abbau des Rechtsstaats noch nicht weit genug geht - er geht also auf weitere Konfrontation. Und selbst wenn Polen die Anordnung des EuGH umsetzen sollte: Damit wären noch längst nicht alle Justizinstitutionen, die heute nur noch Instrumente der Regierungspartei sind, wieder unabhängig. Weiterhin gibt es den Landesjustizrat zur Auswahl aller Richter, das mittlerweile mit Dutzenden abhängigen Richtern besetzte Oberste Gericht und das Verfassungsgericht. Letztere sind die zentralen Organe, um die großen Rechtsbrüche der Regierung abzusegnen. Wahrscheinlich wird man über das Vorgehen der EU-Kommission einmal urteilen müssen: Sie hat sich nur eine all dieser Untaten vorgeknöpft, die Disziplinarkammer. Und sie kam zu spät.

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