Afghanistan:Das Ultimatum

Lesezeit: 1 min

Am 31. August sollen die Rettungsflüge aus Kabul enden: Warum die Taliban die USA noch einmal gezielt provozieren.

Von Joachim Käppner

Offenbar hat jemand der Bundesregierung neuerdings eine Landkarte von Afghanistan verschafft. In Berlin hat man jetzt nämlich bemerkt, dass die Ortskräfte, die für die Bundeswehr oder die Polizei als Dolmetscher, Berater oder Küchenhilfen gearbeitet haben, im Norden des Landes eingesetzt waren, eben im deutschen Sektor. Dieser Karte ist leicht zu entnehmen, dass zwischen Kundus oder Masar-i-Scharif und dem Flughafen Kabul Hunderte Kilometer und einige Gebirgszüge liegen. Was also wird aus all jenen, die es, mitten im Krieg, nicht ins ferne Kabul geschafft haben?

Allen Respekt vor jenen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und anderer Armeen, die jetzt in Kabul möglichst viele Menschen vor der Rache der Sieger retten und ausfliegen. Aber es sieht so aus, als würden wohl zahlreiche Menschen zurückbleiben - weil die Evakuierung politisch katastrophal schlecht vorbereitet war und weil die Taliban den Druck massiv erhöhen. Sie haben dem Westen ein Ultimatum bis Ende August gesetzt, dann müssten die Flüge aufhören. Diese Erpressung ist eine gezielte Demütigung des US-Präsidenten.

Gibt Joe Biden jetzt nach, so werden die Islamisten auch diesen Triumph zelebrieren

Zwar hat nicht er, sondern sein Vorgänger Donald Trump 2020 das klägliche Abkommen von Doha mit den Taliban abgeschlossen, das diesen Afghanistan quasi auslieferte. Wollte Biden den Krieg nicht neu beginnen, musste er den Abzug managen. Das aber geriet zum schrecklichen Desaster, und die Taliban, im Rausch ihres raschen Sieges, fordern die USA jetzt offen heraus.

Biden war bereit, den Rettungseinsatz über den 31. August hinaus zu verlängern, um möglichst viele Menschen aus dem Land zu retten. Gibt er jetzt nach, werden die Taliban ihren nächsten Triumph über den Westen zelebrieren und sich danach jenen ihrer Gegner und Opfer zuwenden, die nicht mehr hinausgekommen sind. Schon jetzt haben die Fanatiker, meist außerhalb Kabuls, zahlreiche Menschen gequält und ermordet. Bei allen Gefahren einer Eskalation: Der Westen darf sich dem Ultimatum nicht beugen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: