ZDF-Sommerinterview mit Gabriel:Die ewige K-Frage

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Verbaler Boxkampf statt Sommergeplauder: Sigmar Gabriel lässt sich beim Sommerinterview in den Ring locken. Gekämpft wird um die Rente mit 67, die Linke - und die politische Zukunft des SPD-Chefs.

Susanne Klaiber

Locker soll die Atmosphäre sein beim ZDF-Sommerinterview. Eigentlich. Ein paar neue Informationen sollen rüberkommen. Wenn es gut läuft. Man soll den Menschen hinter dem Politiker kennenlernen. Am Sonntagabend hat wieder einmal ein Gast bewiesen, dass das Konzept so nicht ganz aufgeht: Sigmar Gabriel, 50, SPD-Vorsitzender.

Steile Stirnfalte, Blockieren und Gegenangriffe: SPD-Chef Sigmar Gabriel ließ sich beim Sommerinterview nicht aus der Reserve locken. (Foto: Getty Images)

Das einzig Lockere an dem 20-minütigen Interview ist die Kulisse: ein verwitterter Tisch mit Bänken und Blick über Goslar, Gabriels Geburtsstadt. Das Gespräch zwischen Gabriel und dem stellvertretenden Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, Thomas Walde, erinnert dagegen eher an einen verbalen Boxkampf denn an ein höfliches Interview. Einen Kampf, den Walde mit starrem Blick und schnellen, harten Fragen und Gabriel mit steiler Stirnfalte, Ausweichen, Blockieren und Gegenangriffen bestreitet.

Zum Beispiel beim Thema Rente mit 67. Gabriel möchte diese Regelung aussetzen, obwohl es Widerstand dagegen in der eigenen Partei gibt, obwohl die SPD die Reform in der großen Koalition selbst beschlossen hat, obwohl sich an der demographischen Entwicklung nichts geändert hat. Man müsse dafür sorgen, dass die Leute, die kurz vor dem Rentenalter arbeiten wollten, auch noch Arbeit bekämen, sagt Gabriel.

Zum Teil werde sich das Problem alleine erledigen, wegen des absehbaren Fachkräftemangels. Ob die Rente mit 67 damit endgültig vom Tisch ist, wie Kritiker es fordern, sagt Gabriel nicht. Und lehnt weitere Fragen ab, bis Walde diese Kehrtwende in der Politik nicht mehr als "Rolle rückwärts", sondern als "veränderte Position" bezeichnet. Diese Runde geht an Gabriel.

"Journalisten wie Sie"

Er hat sich warm geredet, fällt Walde immer häufiger ins Wort. Vor allem, als der ihn mit den Problemen der SPD konfrontiert, dem schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl und dem Wählerverlust an die anderen Parteien, vor allem an die Linke. "Wir haben gerade die Wahl in NRW gewonnen", sagt Gabriel, "und in einer Umfrage haben wir mehr als 30 Prozent bekommen. Das hätten Journalisten wie Sie vor ein paar Monaten für undenkbar gehalten."

Wenn die SPD ihre Rentenpolitik oder Entscheidungen zu Billiglöhnen überdenke, lasse sie sich von niemandem treiben, auch nicht von den Linken. "Ich weiß ja nicht, wie Sie glauben, dass Politik funktioniert", sagt Gabriel und schüttelt den Kopf. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass Gabriel Walde persönlich angeht.

Er wird es noch oft tun, zum Beispiel, wenn Walde wissen will, ob sich Gabriel vorstellen könne, Kanzlerkandidat zu werden. Da argwöhnt Gabriel, Walde habe wohl zu viel schlechten Umgang mit Journalisten in Berlin, schließlich sei es deren Marotte, zehn Monate nach der Wahl schon solche Fragen zu stellen.

Steile Stirnfalte

Doch immer, wenn die verbale Schlacht gerade besonders heftig gewesen ist, verschwindet Gabriels steile Stirnfalte und Waldes starrer Blick weicht einem Lächeln. So, als zollten sie dem anderen Anerkennung für seine Leistung in diesem medialen Spiel.

Spätestens hier wird dem Zuschauer klar, dass er im Sommerinterview - wieder einmal - nichts Neues erfahren wird über die große Politik. Aber wer Sigmar Gabriel bisher nur in den 45-Sekunden-Einspielern in den Nachrichten gesehen hat, hat ihn hier besser kennengelernt, nicht als Mensch, aber als Politiker.

Als undiplomatischen Kämpfer, von dem die Bürger in Goslar sagen, dass er ein wenig hart umgeht mit seinen Feinden, dass er ein wenig zu emotional ist und dass er noch viel lernen muss, wenn er mal Kanzler werden will.

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