WM-Fotograf Jörn Pollex::"Ich entscheide mich selten für die Kanzlerin"

Lesezeit: 4 min

Fotograf Jörn Pollex über seine Arbeit am Spielfeldrand, die Anwesenheit Merkels und einen lächelnden Löw.

Christina Maria Berr

Seit Wochen ist Jörn Pollex, Fotograf der Bildagentur Getty Images, mit der Nationalelf unterwegs. Er fotografiert Training, Pressekonferenzen und natürlich Spiele. Im Gespräch mit sueddeutsche.de erzählt er von seinen Erfahrungen am Spielfeldrand, von schwierigen Entscheidungen, wenn Merkel auf der Tribüne sitzt - und einem lächelnden Jogi Löw.

WM-Fotograf Jörn Pollex
:Bilder der Nationalelf

Seit Wochen fotografiert Jörn Pollex die Nationalmannschaft in Südafrika. Wir zeigen die schönsten Bilder.

Christina Maria Berr

sueddeutsche.de: Herr Pollex, haben Sie die Niederlage der Deutschen denn schon verkraftet?

Jörn Pollex: Ich bin da zwiegespalten. Einerseits wäre es natürlich toll gewesen, hier ins Finale zu kommen und zu fotografieren. Andererseits bin ich nun seit acht Wochen unterwegs und habe zu Hause Familie - auf die freue ich mich natürlich sehr.

sueddeutsche.de: Die sehen Sie nun einen Tag früher.

Pollex: Genau, das ist doch auch was, oder?

sueddeutsche.de: Wie haben Sie die WM in Südafrika erlebt?

Pollex: Das Land bietet unglaubliche Gegensätze. Man fährt durch Townships mit Szenen, die einem das Herz zerreißen - und eine viertel Stunde später ist man in einem Stadion mit 60.000 Menschen, die sich unglaublich freuen. Dieser Kontrast geht mir sehr nahe.

sueddeutsche.de: Und wie waren die Spiele für Sie?

Pollex: Unglaublich toll, die Stadien waren alle ausverkauft, die Stimmung ist ergreifend. Und die Spiele des DFB, den ich ja begleite, waren spannend und vor allem torreich. Viele Tore sind auch für uns Fotografen wichtig. Das deutsche Team hat unglaublich attraktiven und dynamischen Fußball gespielt und das spiegelt sich natürlich auch in den Fotos wider.

sueddeutsche.de: Wie sieht denn Ihre Arbeit am Spielfeldrand aus?

Pollex: Wir bekommen Plätze zugewiesen. Ich sitze zwischen Torpfosten und Eckfahne zum Trainer Jogi Löw hin. Zwei Kameras habe ich hinter dem Tor postiert, die löse ich mittels Fußpedal und Fernsteuerung aus. An meinem Platz habe ich noch mal zwei Kameras und neben mir steht ein Laptop, denn die Fotos schicke ich während des Spiels immer direkt und in Windeseile an die Editoren meiner Agentur, die während der WM ein Headquarter in Johannesburg haben. Diese bearbeiten die Fotos anschließend und versenden sie an unsere Kunden, die führenden Medien und Magazine weltweit.

sueddeutsche.de: Es ist ja nicht so, dass Lahm und Klose immer direkt vor ihrer Kamera Pässe machen - oder gar ein Tor schießen. Ist es dann ärgerlich, bisweilen auf der falschen Seite zu sitzen?

Pollex: Wenn man alleine da wäre, schon. Aber als große Agentur sind wir mit bis zu zehn Fotografen bei einem Fußballspiel. Einer bekommt die Szene schon ins Bild. Wer dann den Jubel hat, ist am Ende egal.

sueddeutsche.de: Was war Ihr schönster Moment bei der WM?

Pollex: Das Spiel gegen Argentinien, ganz klar. Da ist wirklich viel direkt vor mir passiert und ich konnte meinen Bildern diese ganz besondere Perspektive verleihen auf die ich immer aus bin.

WM-Fotograf Jörn Pollex
:Bilder der Nationalelf

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sueddeutsche.de: Na, bei vier Toren ...

Mit der Nationalmannschaft in Südafrika: Fotograf Jörn Pollex. (Foto: online.sdemedien)

Pollex: Beim vierten Tor ist mir auch ein kleiner Fauxpas passiert. Da habe ich nämlich auf Löw gehalten, weil der beim dritten Tor so schön gejubelt hatte - und das wollte ich auch im Kasten haben. Und dann, beim Klose-Tor, lächelt Löw nur still vor sich hin. Man muss vor einem Tor entscheiden, wo man die Kamera draufhält, also konnte ich demnach nicht genau sehen, wer das Tor schießt. Gott sei Dank hatte Klose bereits ein Tor geschossen. Ich hatte also Jubelfotos von Klose. Bei einem anderen Spieler hätte ich von dem Tor nur einen lächelnden Jogi Löw gehabt.

sueddeutsche.de: Haben Sie Angst, so ein Tor zu verpassen?

Pollex: Das nicht, da kann ich mich schon auf mich und die Technik verlassen. Aber die Herausforderung ist es, die Emotionen richtig einzufangen und am Ende mit den Bildern die Stimmung des Spiels transportieren zu können. Dann ist natürlich die Frage, wen fotografiert man bei einem Tor: Den Torschützen? Den Trainer? Oder - wie beim Viertelfinale - vielleicht die Bundeskanzlerin? Angela Merkel zeigt ja bei Spielen so schön ihre Emotionen. Da hatte ich Schwierigkeiten, zu entscheiden, auf wen halte ich, wenn ein Tor fällt.

sueddeutsche.de: Und wie haben Sie schlussendlich entschieden?

Pollex: Als Sportfotograf der internationalen Agentur Getty Images entscheide ich mich selten für die Kanzlerin, sondern für die Spieler.

sueddeutsche.de: Sie fotografieren auch die Trainings. Ist man nach vier Wochen mit den Spielern vertraut?

Pollex: Nein leider nicht, als Fotograf sitzt man auf der Tribüne - und oftmals trainieren die Spieler auch nicht direkt vor einem, sondern am anderen Ende des Platzes. Da gibt es eben die Vorgaben des DFB, aber ich begreife das als Herausforderung: Mein Job ist es, unter allen Umständen gute Bilder zu produzieren und ich denke, mir sind auch sehr gute Aufnahmen gelungen.

sueddeutsche.de: Ist der Kampf unter den Fotografen denn ein großer?

Pollex: Wir haben fest zugewiesene Plätze. Das ist zwar unglaublich eng, aber man muss sich eben arrangieren. Wenn eine Mannschaft Weltmeister wird und dreht am Ende eine Runde, da ist natürlich ein irrsinniges Gedränge. Jeder versucht in der ersten Reihe zu stehen und den Torschützen mit dem Weltpokal zu fotografieren. Da kann schon mal der ein oder andere Blitz auf der Strecke bleiben.

sueddeutsche.de: Um den Platz in der ersten Reihe beneiden Sie viele. Können Sie denn das Spiel noch verfolgen?

Pollex: Ich kann am Ende beurteilen, ob das Spiel gut gelaufen ist, aber ich habe natürlich meist nur einen oder ein paar Spieler im Blick. Allerdings bekomme ich sehr viel von der Stimmung mit und wenn die so ist wie bei dieser WM, dann ist das Gänsehaut pur. Eine Sicht wie vor dem Fernseher mit einer Vogelperspektive bleibt mir natürlich verwehrt, dafür kann ich die ganz besonderen Augenblicke des Sports einfangen.

sueddeutsche.de: Wenn Sie mal frei haben, gucken Sie noch Fußball?

Pollex: Im Fernsehen ja, ins Stadion gehe ich aus zeitlichen Gründen nur beruflich.

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