"Will & Grace" ist zurück:Comedy mit revolutionärer Kraft

Lesezeit: 4 Min.

Männer in der Küche: Will (Eric McCormack, r.) und Jackson (Nick Offerman) beim Abschmecken. (Foto: Chris Haston© 2017 NBCUniversal Media, LLC)

Mit "Will & Grace" hatte eine Sitcom zum ersten Mal eine schwule Hauptfigur. Ausgerechnet der US-Präsident beschert der Show nun ein Revival - immer noch witzig, aber viel politischer.

Von Patrick Heidmann

Nirgends gedeiht, glaubt man dem Fernsehen, der Humor so sehr wie in Wohngemeinschaften. Die Geschichte der amerikanischen Sitcoms jedenfalls ist voll von - mal mehr, mal weniger freiwilligen - Wohnarrangements als Familienersatz, von Herzbube mit zwei Damen und den Golden Girls über Friends bis zu New Girl oder The Big Bang Theory. Die Serie Will & Grace, die zwölf Jahre nach ihrer Absetzung in den USA jetzt auch auf Pro Sieben mit einer neunten Staffel fortgesetzt wird, wäre also womöglich nur eine unter vielen gewesen. Wären die Protagonisten nicht ein schwuler Mann und seine beste Freundin.

Was heute wenig spektakulär klingt, war im Herbst 1998, als die erste Folge von Will & Grace auf amerikanischen Bildschirmen zu sehen war, eine große Sache. Die Ehe für alle und andere Fortschritte in Sachen Gleichberechtigung von Homosexuellen waren in weiter Ferne, stattdessen hatte US-Präsident Bill Clinton zwei Jahre vorher den "Defense of Marriage Act" unterzeichnet, der das Heiraten einzig und allein heterosexuellen Paaren erlaubte. Im Fernsehen war die Welt kaum anders. Nur wenige Monate vor der Premiere von Will & Grace etwa war Ellen abgesetzt worden. Nicht wegen mieser Einschaltquoten, sondern weil sich sowohl Hauptdarstellerin Ellen DeGeneres als auch ihre Serienfigur als lesbisch geoutet hatten.

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Für schwule Zuschauer kam eine Serie, die von Anfang an einen schwulen Mann ins Zentrum des Geschehens stellte, einer Offenbarung gleich, in den USA genauso wie in Deutschland, wo Will & Grace von 2001 an zu sehen war. Und das nicht obwohl, sondern gerade weil die von Max Mutchnick und David Kohan kreierte Sitcom abgesehen vom Personal - Rechtsanwalt Will Truman (Erik McCormack) und Innenarchitektin Grace Adler (Debra Messing), seine engste Vertraute seit Studientagen, sowie sein bester Freund Jack (Sean Hayes) und Graces reiche, dauertrinkende Assistentin Karen (Megan Mullaly) - kaum von der Norm abwich.

Gerade weil alles darin so wenig von der Norm abwich, hatte die Sitcom eine revolutionäre Kraft

Gut situierte, weiße Mittdreißiger, die in New Yorker Apartments und über sich und ihre Beziehungen reden, während aus dem Off in einer Tour das Publikum lacht, gab es auch in den Neunzigern schon hinreichend. Doch gerade aus dem Gewöhnlichen gewann Will & Grace seine revolutionäre Kraft. Gelacht wurde endlich einmal nicht über, sondern mit den schwulen Figuren, und das Mainstream-Publikum, das vor allem in den USA über Jahre millionenfach einschaltete, kam schnell zu der nur auf den ersten Blick banalen Erkenntnis, dass Homosexuelle "Menschen wie du und ich" sind.

Und wer sich nicht als heterosexuell identifizierte, durfte endlich erleichtert mit ansehen, dass die eigene Realität auf dem Bildschirm nicht zwingend zum problembelasteten Nebenplot reduziert werden muss, wie in Melrose Place oder der Lindenstraße. Nicht umsonst stellte sogar der damalige US-Vizepräsident Joe Biden 2012 in einem Bekenntnis zur Öffnung der Ehe fest, Will & Grace habe mehr für die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexuellen in den USA getan als irgendjemand sonst.

Dass Schwule in Will & Grace lediglich in zwei, durchaus klischeebehafteten Facetten präsentiert wurden - hier der unauffällige, heteronormativ auftretende Will, dort der exaltierte, seine sexuelle Identität zur Schau stellende Jack - sorgte allerdings ebenso für Kritik wie die Tatsache, dass lesbischen, transsexuellen oder auch nicht-weißen Charakteren kaum Platz eingeräumt wurde. Auch das Herunterspielen homosexueller Intimität und Erotik wurde der Sitcom nicht zu Unrecht vorgeworfen: Den ersten schwulen Kuss im US-Fernsehen gab es 2000 nicht in Will & Grace, sondern in der Teenie-Soap Dawson's Creek zu sehen. Überhaupt lässt sich nicht erst im Rückblick auf die alten Folgen feststellen, wie zahm die Serie auch in politischer Hinsicht war. Dass Hayes, einziger homosexueller Schauspieler im Ensemble, sich erst Jahre nach Ende der Serie öffentlich outete, ist bezeichnend.

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Will und Jack ringen nun mit dem Älterwerden und dem Jugendwahn der Schwulenszene

Umso interessanter also, dass es ausgerechnet politisches Engagement war, das nun zur Wiederbelebung der Show führte. Im US-Wahlkampf 2016 trommelten Mutchnick und Kohan ihre vier Schauspieler zusammen und holten die alte Wohnzimmer-Kulisse aus dem Lager, um mit einem Youtube-Video ein Zeichen gegen Trump zu setzen. Der Clip sorgte für so viel Begeisterung, dass der einst verantwortliche Sender NBC eine neue Staffel bestellte.

Tatsächlich spielen politische Themen in den sechzehn neuen Folgen nun eine deutlich größere Rolle als früher. Um den Präsidenten kommt auch Will & Grace nicht herum: Gleich in der ersten Folge hadert Grace mit dem Auftrag, das Oval Office neu einzurichten, den ihr Trump-Freundin Karen zugeschustert hat. In weiteren Folgen geht es unter anderem um aktuelle Themen wie Umerziehungslager für homosexuelle Jugendliche oder Konditoren, die sich aus ideologischen Gründen weigern, bestimmte Kuchen zu backen.

Auch im Privaten geht die Serie mit der Zeit und macht keinen Hehl daraus, dass etliche Jahre vergangen sind, seit die Protagonisten zuletzt auf dem Bildschirm zu sehen waren, nicht zuletzt in der herrlich komischen zweiten Folge, in der Will und Jack mit ihrem Älterwerden und dem Jugendwahn der Schwulenszene ringen.

Ansonsten aber ist in der neunten Staffel fast alles beim Alten, vom Arrangement der Möbel in Wills Apartment, in dem Grace nach ihrer Scheidung wieder unterkommt, bis hin zur noch immer größtenteils ausgesprochen amüsanten Mischung aus hemmungsloser Albernheit, frechen One-Linern und vollem Körpereinsatz der Hauptdarsteller. Fans von damals dürfen sich auf ein Wiedersehen mit altbekannten Gaststars wie Harry Connick jr., Minnie Driver oder Alec Baldwin freuen, und auch die besonders nostalgischen Momente gelingen erstaunlich gut, etwa wenn sich Karens Hausmädchen Rosario aus der Serie verabschiedet oder der verstorbenen Debbie Reynolds gedacht wird, die früher Graces Mutter spielte. In den USA ist die Wiederbelebung von Will & Grace ein voller Erfolg: Eine zehnte und eine elfte Staffel sind schon in Auftrag gegeben.

Will & Grace, Pro Sieben, mittwochs, 21.15 Uhr in Doppelfolgen.

© SZ vom 09.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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