W&V: Neurologisch messbare Werbewirkung:Hirnströme lügen nicht

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Die erste repräsentative Neuromarketing-Studie liefert überraschende Ergebnisse über die Wirkung von Werbespots im Fernsehen. Und es entzaubert eine preisgekrönte Kampagne.

Rolf Schröter

Er gehört zu den berühmtesten Werbeauftritten der letzten Jahre und erhielt 2009 sogar einen goldenen Effie: der Film aus der Kampagne "Erleben, was verbindet" der Deutschen Telekom, besser bekannt unter dem Stichwort "Paul Potts".

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Hirnströme von 600 Versuchspersonen, die sich TV-Werbespots ansahen: Dafür bekamen die Probanten Hauben mit 20 Elektroden, die Hirnströme messen, und einer Brille, die Störreize ausblendet.

(Foto: Credit Serviceplan)

Aus der Sicht eines Hirnforschers hat dieser Film jedoch einen gewaltigen Haken: Der unter Marketingaspekten wichtigste Teil des Spots geht nämlich unter, und zwar die Botschaft inklusive Markennennung.

Das beweisen die Hirnströme von Zuschauern. Neuro Impact, eine Spezial-Unit der Münchner Agentur Mediaplus, verpasste in einer Feldstudie insgesamt fast 600 Versuchspersonen Hauben, die mit Elektroden und einer Spezialbrille versehen sind. Anhand der Hirnströme konnten die Forscher millisekundengenau verfolgen, wie die Gehirne verschiedene TV-Spots verfolgt und auf die visuellen und akustischen Reize reagiert haben.

Der Paul-Potts-Spot ist hinreißend gemacht, er fesselt den Zuschauer und reizt seine Gefühle. Aber das Telekom-Branding taucht an einer Stelle im Spot auf, an der das menschliche Hirn nicht mehr aufnahmefähig ist: Nachdem Paul Potts den letzten Ton seiner Arie geschmettert hat, brandet Beifall auf. Applaus ist für das Hirn aber ein Signal, abzuschalten und das Gesehene zu verarbeiten; die Abspeicherung von folgenden Signalen im Langzeitgedächtnis sinkt rapide.

Im Neuromarketing nennt man diese Falle "Conceptual Closure", konzeptuelles Ende. Wer sich also an den Paul-Potts-Spot erinnert hat, nicht aber an den "Erleben-was-verbindet" Spot (so heißt die Kampagne tatsächlich), der hat nun eine Erklärung dafür.

Gut gemacht ist dagegen der TV-Spot für den VW Polo. In dem Moment, als eine Frisbee-Scheibe durch die Seitenfenster des Wagens auf den Betrachter zufliegt, folgt ein Schnitt, und die Schlüsselbotschaft mit dem Branding erscheint. An dieser Stelle, das zeigt die durchschnittliche Hirnstromkurve der Testpersonen, ist das Engagement des Betrachters besonders hoch.

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