TV-Kritik: Georg Schramm in der "Anstalt":"Ich kandidiere!"

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Georg Schramms letzter Auftritt in der ZDF-Kabarettsendung "Neues aus der Anstalt" zeigt, welche Lücke er hinterlässt - um Bundespräsident zu werden.

Ruth Schneeberger

Lassen wir einmal beiseite, dass dieser Sommer reichlich spät begonnen hat. Dass wir ihm jetzt, bei fast 30 Grad, noch nicht ganz über den Weg trauen - denn wer garantiert uns, dass es morgen nicht schon wieder hagelt? Lassen wir also den Himmel beiseite und den Wetterfrosch aus Pietätsgründen ein gutes Tier sein. Dann wäre das, was vom Sommer übrig bliebe, dennoch überragend: Eine Sensation jagt die andere.

Georg Schramm, dpa

Verlässt die ZDF-"Anstalt", um Bundespräsident zu werden: Kabarettist Georg Schramm.

(Foto: dpa)

Roland Koch, bislang brutalstmöglicher Machterhalter, tritt zurück - freiwillig. Horst Köhler, in der Öffentlichkeit nicht gerade als Querulant bekannt, nimmt völlig überraschend den Hut. Margot Käßmann, kurz zuvor als erste Frau zum Oberhaupt der evangelischen Kirche gewählt, macht den Rückzieher. Und Bischof Mixa, obwohl vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs inzwischen entlastet, erklärt die Niederlegung seiner Ämter.

Große Fußstapfen

Wir leben in Zeiten des Rücktritts. Die Alten und Großen verabschieden sich, hervortun sich die Jungen, Frischen. Philipp Lahm wird Fußballkapitän - und Lena, 19-jährige Schausängerin der Herzen, lässt die Deutschen ihren Stolz neu entdecken. Wenn es kommt, wie es kommen soll, wird auch ins Schloss Bellevue im Hochsommer der jüngste Bundespräsident aller Zeiten einziehen.

Doch welcher Jungspund, und das ist die wirklich bange Frage, soll nun Georg Schramm in der ZDF-Kabarett-Sendung Neues aus der Anstalt ersetzen?

Es hätte ein guter Scherz sein können, als der altgediente Kabarettist vor kurzem verkündete, er trete von der Sendung zurück, die er vor dreieinhalb Jahren mitbegründet hat. Er wäre in diesem Sommer der Sensationen doch nur einer von vielen.

Doch wie so oft hat Georg Schramm, der Wütende, mehr Wahrheit in seine Worte gelegt als das geneigte Publikum verträgt. Nun musste man dem 61-Jährigen also dabei zuschauen, wie er am Dienstagabend tatsächlich seine letzte Sendung meisterte. Nach der Sommerpause soll Neues aus der Anstalt mit einem anderen Partner an der Seite von Urban Priol weiterlaufen.

Welch große Fußstapfen Schramm hinterlässt, das noch einmal deutlich zu machen, bereitete ihm sichtlich Vergnügen.

Der Kampf da draußen

Er wolle Priol nicht im Stich lassen, sagt Schramm, "sondern die Anstalt verlassen, um dort draußen unseren Kampf weiterzuführen: Wenn ich draußen bin, bewerbe ich mich für das Amt des Bundespräsidenten." Brutalstmöglicher Publikumsapplaus.

So mancher Gast, darunter auch Dieter Hildebrandt deutlich zu erkennen, sähe den ehemaligen Bundeswehrsoldaten, scharfzüngigen Psychologen und vielfach ausgezeichneten Ex-Scheibenwischer-Angehörigen wohl tatsächlich am liebsten in der von ihm bisher so bissig begleiteten Regierung.

Es mache aber diesmal keinen Spaß, waren sich Schramm und Priol einig, jemanden wie Horst Köhler loszuwerden, obwohl sie hart daran gearbeitet hätten. Der Grund: "Wir erwarteten den großen Wurf, jetzt bekommen wir einen kleinen Wulff." Das Gerangel um die Bundespräsidentennachfolge sei peinlich gewesen, ebenso der Abtritt: "Unser großer beliebter Bundespräsidenten-Versuch war von seinem Rücktritt so überrascht, dass er sich selbst vom Blatt ablesen musste. Aber auch ein Blindgänger kann einmal explodieren."

Steigern lasse sich diese Hilflosigkeit der Bundesregierung nur noch durch das neue Sparpaket, mit dem man den Weg des geringsten Widerstands wähle, indem man die Ärmsten zur Kasse bitte. Angesichts dieser Ungerechtigkeit werde Schramm, sobald er Bundespräsident sei, die deutsche Oberschicht in seinen Schlossgarten einladen und fragen, ob es ihnen nicht peinlich sei, eine reine Schönwetter-Elite zu sein, die bei Unwetter jede Verantwortung ablehne. Und ob sie eigentlich spüre, dass das Sparpaket der Bundesregierung eine Kriegserklärung an die Mehrheit des Volkes sei, das eben kein Vermögen habe, das man ins Ausland bringen könne.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Urban Priol über den Abschied von Georg Schramm denkt.

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