TV-Kritik: Maischberger:Die Frau, Mündel des Mannes

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Sonderbares über die Ehe: "Geht's nur ohne Liebe?" fragte Sandra Maischberger - die Antworten der Gäste waren durchaus eigenwillig.

Alexander Kissler

Man kann dem Fernsehen nicht genug danken: Noch viel verheerender fielen die Arbeitslosenzahlen aus, brächte das Fernsehen nicht täglich neue Berufe und damit neue Erwerbsmöglichkeiten hervor. An den "Erziehungsberater" und den "Schulden-Coach" haben wir uns gewöhnt. Die "Verführungstrainer" und die "Karriereprofis" sind täglich bei uns zu Gast. Nun verdiente sich die ARD neue Sporen als Tätigkeitsfelderfinder. Zu den Menschen bei Maischberger zählten gestern ein "Eheverteidiger" und eine "Ehekritikerin". Sie wurden aufeinander losgelassen, um endlich die Frage zu klären, ob die Ehe von Mann und Frau vielleicht bloß ein Mythos sei: "Geht's nur ohne Liebe?"

Die Kritikerin war die Frau des ehemaligen Bundespostministers Christian Schwarz-Schilling. Nicht aber vom eigenen, zwecks Stützung der These idealerweise schrecklichen Eheleben berichtete die Dame im flammend-roten Kostüm. Nein, Marie-Luise Schwarz-Schilling war gekommen, um die Ehe ganz allgemein als Verirrung, als "Seitensprung der Geschichte" zu brandmarken. Und also hob sie an, erzählte mit sehr ausladenden Gesten vom Übergang der "Frühzeit" zur "Ehezeit". Erst damals nämlich, als die "Fehdegesellschaften" entstanden, mit einem "Kriegerkönig" an der Spitze, sei diesem das Recht zugewachsen, sich eine Frau zu kaufen. Die Frau wurde zum Mündel des Mannes, die Ehe war geboren. Zuvor seien Sexualpartner und Familienpartner zweierlei gewesen; jenen konnte man wechseln, diesen nicht.

Im schnellen Silbenstakkato, unterstützt von hämmernden Bewegungen mit ausgespreizten Fingern, wäre ein Datum fast untergegangen: Besagte Geburt der "Kriegergesellschaft" und damit die Erfindung der Ehe habe sich etwa 4000 bis 3000 vor Christus vollzogen. Demnach hätte die monogame, einmalige Beziehung von Frau und Mann eine uralte Würde. Gemeinhin lautet der kritische Gemeinplatz eher, die Ehe sei eine Frucht späterer, hoffnungslos bürgerlicher Tage. Darauf ließ überraschenderweise die zweite Intervention der Kritikerin schließen: Leider werde die Liebe noch immer romantisch aufgefasst.

Der Mann zu ihrer Rechten hat es sich fernab aller ehelichen Romantik eingerichtet. Er lebt heute laut eigener Aussage "mönchistisch" auf einem Hausboot. Gunter Gabriel saß schräg im Sessel, trug einen pechschwarzen Anzug und ein pechschwarzes Hemd, das den Blick freigab auf ein Hautgeviert am Bauchnabel. Vier Ehen hat er hinter sich.

Leben in Klischees

Die erste scheiterte auch daran, dass die Angetraute sich Lieder im Stile Howard Carpendales von ihm wünschte, während er doch kumpelhaft immer schnurrte: "Hey Boss, ich brauch mehr Geld." Ehe zwei hielt ein Jahr und wurde geschlossen, weil eine "verrückte Wahrsagerin aus Berlin" ihm justament die große Liebe prophezeit hatte. Zur dritten Ehe fiel kein Wort, die vierte aber zerschellte am "Milieu" der Gemahlin, einer Prostituierten. Rückblickend auf das vierfache Scheitern sagte der große krumme Mann mit seiner schönsten Whiskey-Stimme einen wahrlich starken Satz: "Wir haben nach Klischees gelebt."

Leider zog die Moderation Sandra Maischberger es vor, Irritationen wie diese zu überhören und stattdessen den Konventionen mühsam nachzuspüren. Wie das etwa gewesen sei, fragte sie die Grande Dame Christiane Hörbiger, als deren Partner auf den Tod darniederlag: Ob man sich da weniger füreinander verantwortlich fühle, wenn man nicht verheiratet ist? Hörbinger nämlich lebt seit 25 Jahren mit dem Regisseur und Schriftsteller Gerhard Tötschinger ohne Trauschein zusammen. Hörbiger bekannte sich - wenig überraschend - zur Beistandspflicht aus allgemein menschlichen und spezifisch christlichen Liebesgründen. Partner Tötschinger sah sie mit großen Augen an.

Überhaupt boten die Blickwechsel des eingespielten österreichischen Paares subtile psychologische Kammerstücke. In einer eigentümlichen Mischung aus Skepsis, Neugier und Stolz fixierte die Frau den Mann, als dieser ihr Kennenlernen beschrieb: War es ein 1. oder ein 2. August, damals in Zürich? Erst nach dieser Episode duzte der Mann kurz die Frau, um wenig später zurückzukehren zur Distanzformel "Frau Hörbinger". Ist Liebe vielleicht die plötzliche Scheu, Nähe öffentlich zuzulassen?

Solche Sorgen treiben die beiden Exzentriker Mara Fricke und Silvio Wirth nicht um. Sie gaben Einblick in ihr Zeitmanagement, das manchen Aufsichtsratsvorsitzenden erblassen lässt. Einander nämlich sind sie die "Hauptpartner" mit jeweils drei weiteren "erotischen Freundschaften". In ihrem offenbar großen Freundeskreis pflegen sie einen "sehr sinnlichen Umgang miteinander".

Mehr als ein Muskelzucken

Mara trägt die blonden Haare in einem bis zur Taille reichenden Zopf und blickt streng. Silvio redet gerne und ringt dabei mit den Händen wie weiland Klaus Kinski, beugt sich nach links, macht die Kehre nach rechts. Er will einfach "die Liebe noch weiter strömen lassen in die Welt, über die Beziehung hinaus".

Tantriker sind sie beide, die Körperhaltung verrät es: Während Schwarz-Schilling und Hörbiger damenhaft die Beine über Kreuz verschränken und Gabriel sich fläzt, wissen Silvio und Mara, wo die Mitte sitzt. Die Beine bilden ein geöffnetes Dreieck, der Rücken ist kerzengerade, die Hände kreisen nur paarweise.

Auch "Eheverteidiger" Martin Lohmann pendelte im Sessel hin und her. Der Publizist und Sprecher des "Arbeitskreises engagierter Katholiken in der CDU" warb, theologisch korrekt, für die katholische Auffassung von der Ehe als Sakrament. Nicht ohne Redundanz, nicht ohne Penetranz, aber durchaus einsichtig gerät ihm sein Plädoyer. Weil Liebe mehr sei als ein Muskelzucken, sorge allein lebenslange Treue für Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit. Auch Christus habe das Scheidungsverbot bekräftigt. "In dieser durchsexualisierten Diktatur des Relativismus" falle das jedoch schwer.

Das Mündel wollte an dieser Stelle kein Vormund sein. Marie-Luise Schwarz-Schilling, seit 53 Jahren verheiratet, widersprach nicht. Die Tantriker ließen sich hingegen zur Ankündigung hinreißen, bald heiraten zu wollen und sich so öffentlich "menschliche Treue, aber nicht sexuelle Exklusivität" zu versprechen. Gabriel schlug sich klagend an die Brust und zitierte Johnny Cash, "wenn du gehst, ich müsste weinen in mein Betttuch und mein Bier". Christiane Hörbiger aber und Gerhard Tötschinger schwiegen ein letztes Mal sehr vielsagend. In ihren Blicken lag die Frage, die kein Reden beantwortet: Wann will die Liebe wandern und wann landet sie im Hafen?

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