TV-Kritik:Greta Thunberg macht keine Witze

Als sie in der "Daily Show" von Trevor Noah zu Gast war, lachte das Publikum trotzdem wie gewohnt. Nur diesmal über Fakten, die nicht komisch sind.

Von Nadja Schlüter

TV-Kritik: Klimaaktivistin Greta Thunberg im Gespräch mit Trevor Noah im US-Fernsehen.

Klimaaktivistin Greta Thunberg im Gespräch mit Trevor Noah im US-Fernsehen.

(Foto: Twitter)

Greta Thunberg sitzt aufrecht da, lehnt sich nicht an, ihre Beine baumeln vom Stuhl und sie faltet die Hände vor sich auf dem Tisch. Entspannt sieht anders aus, aber ein Mensch, der sich darum schert, ob er entspannt aussieht oder nicht, sieht auch anders aus. Trevor Noah spricht Greta darauf an, dass ihre Mutter ihre Opern-Karriere aufgegeben hat, um nicht mehr mit klimaschädlichen Flugzeugen um die Welt reisen zu müssen; stattdessen singt sie jetzt in Musicals. Ob Greta manchmal ein schlechtes Gewissen habe, dass ihre Mutter jetzt nicht mehr so auftreten könne wie früher? "Ehrlich gesagt ist es mir egal, wie sie auftritt", sagt Greta. Das Publikum lacht. Wohl deshalb lächelt auch Greta ganz kurz, aber schnell wird klar: Das war gar kein Witz. Denn der Planet, das betont sie kurz danach, sollte für uns alle nunmal oberste Priorität haben.

Es gibt am Mittwoch, als Trevor Noah die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg im Studio seiner Daily Show in New York interviewt, mehrere solcher Momente. Die Zuschauer*innen sind es gewöhnt, zu lachen. Gewöhnt, dass die Gäste mit dem Gastgeber scherzen und dann in der Reaktion aus dem Publikum baden. Aber Greta Thunberg funktioniert eben ein bisschen anders. Man könnte sagen: Die 16-Jährige, die ihre Asperger-Diagnose offen auf ihrem Twitter-Account erwähnt und auch ansonsten eher nordisch-kühl rüberkommt, ist das Gegenteil von "amerikanisch". Sie sagt dann in der Daily Show auch selbst, New York sei sehr laut. "Und die Menschen hier reden so laut!" Wieder lacht das Publikum. Wieder lacht Greta nicht. Ist halt kein Witz, sondern Ernst.

Fakten sind Greta Thunbergs Sache und sie legt sie auch hier wieder auf den Tisch: 200 Spezies stürben jeden Tag aus; unsere Chance, die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen läge bei 67 Prozent; am 1. Januar 2018 habe die Welt nur noch 420 Gigatonnen CO2 übrig gehabt, die sie verbrennen könne, jetzt seien es sogar nur noch 360 Gigatonnen. Und sie appelliert auch wieder an die Menschen, sich zu informieren, sich zu engagieren, Druck zu machen: "Wir sollten die Kraft der Demokratie nutzen, um gehört zu werden und so dafür zu sorgen, dass die Mächtigen das Problem nicht weiterhin ignorieren können." Dafür gibt es Zwischenapplaus und Jubel - und ein "That's powerful" von Trevor Noah.

Der wirkt sowieso ziemlich beeindruckt von der jungen Aktivistin und begegnet ihr auf Augenhöhe. Das liegt sicher auch daran, dass ihm das Thema wichtig ist, immer wieder hat er die Klimakrise in der Daily Show aufgegriffen (zum Beispiel hier und hier). Gleichzeitig schafft er es souverän, das Interview auf einer positiven Note enden zu lassen, indem er Greta zu ihrer Ankunft in New York befragt und ihre Erzählung dazu so zusammenfasst: "Das ist eine akkurate und brillante Beschreibung von New York: Es ist unbeschreiblich und es stinkt!"

"Hier", sagt Greta, "ist Klimawandel etwas, an das du glaubst oder nicht. Da, wo ich herkomme, ist er Fakt"

Zuvor sprechen die Beiden aber noch über die Unterschiede in der Debatte über die Klimakrise in den USA und Schweden. "Hier", sagt Greta, "ist der Klimawandel etwas, an das du glaubst oder nicht. Da, wo ich herkomme, ist er Fakt." Sie nennt den Namen des amerikanischen Präsidenten nicht, aber es ist wohl klar, dass er gemeint ist. Und da jubelt das linksliberale New Yorker Publikum natürlich wieder.

Ihr Auftritt in der Daily Show wird sicher dafür sorgen, dass Greta Thunberg in den USA - wo sie im Mai immerhin schon auf dem Cover des Time Magazine zu sehen war - bekannter wird. Weil sie aus Klimaschutzgründen nicht fliegt, hat sie den Atlantik in einem Segelboot überquert und ist am 28. August in New York eingetroffen, wo sie zwar am Hafen von vielen jungen Aktivist*innen, Schaulustigen und Journalist*innen begrüßt wurde - aber im Vergleich zu ihrer Popularität in Europa war der Andrang eher gering. Seitdem hat Greta an kleineren Schulstreiks in New York teilgenommen und war im Talk-Format "Democracy Now" sowie bei einer Podiumsdiskussion mit der bekannten Journalistin und Globalisierungkritikerin Naomi Klein und anderen jungen Klimaaktivist*innen zu Gast.

Greta Thunberg wird sich in den USA und Kanada an der globale Klima-Protestwoche vom 20. bis zum 27. September beteiligen und am UN-Klimagipfel in New York teilnehmen. Anschließend wird sie Richtung Süden bis nach Chile reisen, wo im Dezember die UN-Klimakonferenz stattfindet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: