TV-Drama: "Die Entführung des Prinzen Harry":Tabubruch mit Harry

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Ein wütender Prinz, ein grenzwertiges TV-Programm: Channel 4 lässt Harry von den Taliban entführen - in einem rein fiktiven Fernsehspiel.

Wolfgang Koydl

In Märchen kommen Prinzen gemeinhin in zwei Ausfertigungen vor: als charmante Verführer liebreizender Bürgertöchter oder als wagemutige, drachentötende Recken. In der britischen Thronfolge sind diese beiden Rollen jeweils von den beiden Prinzen William und Harry besetzt. Demnächst aber werden die Briten den jüngeren Royal in einer anderen Situation erleben: Als vor Todesangst zitternden Mann in der Hand der Taliban. Die Szene ist zwar auch nur Fiktion, dafür ist die Empörung, die sie hervorgerufen hat, umso realer: Von "geschmacklos" bis "widerwärtig" reichen die Urteile.

Hauptfigur eines TV-Dramas: der britische Prinz Harry. (Foto: dpa)

Mit dem Dokudrama The Taking of Prince Harry (Die Entführung des Prinzen Harry), das am 21. Oktober ausgestrahlt werden soll, bleibt der halböffentliche britische Fernsehsender Channel 4 seinem Ruf treu, Tabus zu brechen - koste es, was es wolle. Der TV-Kanal spezialisiert sich schon länger auf die Form der dramatisierten Dokumentation, in der Interviews und Fakten um teilweise erfundene Spielszenen angereichert werden.

Das Harry-Drama freilich stellt noch nicht einmal eine Episode dar, die sich in irgendeiner Form ereignet haben könnte, sondern geht von dem hypothetischen Fall aus, dass der dritte der britischen Thronfolge bei einem Militäreinsatz in Afghanistan in die Hände der Taliban fällt. Der Film zeigt etwa, wie der Prinz vor eine Videokamera gezerrt und dort zu einer Stellungnahme gezwungen wird.

"Ich heiße Captain Harry Wales", sagt der Prinz, der von dem jungen Schauspieler Sebastian Reid gespielt wird. "Man gibt mir zu essen, es geht mir gut, und man kümmert sich sehr gut um mich. Der Preis für meine Freilassung ist, dass die Koalitionstruppen Afghanistan sofort verlassen. Geschieht das nicht, werde ich nie wieder nach Hause zurückkehren, und man wird nie meine Leiche finden." Im Film unterstreichen die Entführer ihre Drohung, indem sie dem Prinzen einen ungeladenen Revolver an die Schläfe halten und abdrücken.

Harry war von Dezember 2007 bis Februar 2008 als Offizier in Afghanistan, wo er in vorgeschobener Position Kampfflugzeuge in ihre Zielgebiete lenkte. Sein Einsatz musste abgebrochen werden, als seine Anwesenheit bei der kämpfenden Truppe bekannt wurde. Der Prinz hat seitdem mehrmals Interesse an einer zweiten Tour gezeigt, vorzugsweise als Pilot eines Kampfhubschraubers.

Clarence House, die Residenz des Prinzen, verkniff sich eine offizielle Stellungnahme zu "diesem fiktiven Machwerk". Harry selbst aber soll, wie die Tageszeitung Daily Mirror erfahren hat, "rasend zornig" auf den Film reagiert haben. Er äußere sich nur deshalb nicht öffentlich, weil er der Sendung nicht mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen wolle, als sie verdiene, schrieb die Zeitung unter Berufung auf einen Vertrauten des Prinzen.

Channel 4 hat das Dokudrama derweil verteidigt. "Wir erwähnen in dem Film, dass (Harrys) Spitzname in Afghanistan 'Kugelmagnet' war und wir wissen, dass eine ganze Menge von Dschihad-Websites damals verlangte, dass er ein Spitzenziel sein solle", erklärte Hamish Mykura, der Verantwortliche für Dokumentationen bei dem Sender. "Wir haben niemandem Ideen in den Kopf gesetzt", fügte er hinzu. Eine Entführung Harrys sei "sicher keine Idee, die den Taliban oder al-Qaida neu wäre".

© SZ vom 11.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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