Mit Taxi nach Leipzig zeigte die ARD am 29. November 1970 den allerersten Tatort. In der Dienstagsausgabe der SZ stand anschließend diese Rezension, die wir zum Jubiläum noch einmal veröffentlichen:
Man ist versucht, die Handlung der ersten Sendung in der neuen Krimi-Reihe als unlogisch zu empfinden. Tatsächlich ist sie so verdreht wie meistens die kriminalistische Wirklichkeit und beinhaltet vielleicht deshalb gleiche Spannungseffekte.
Kameraderie alter Kriminaler über Grenzen hinweg mag die breite Öffentlichkeit überraschen. Jedoch nur, weil der praktisch ausgeübte Informationsaustausch zwischen Kriminalisten von Land zu Land - unter Ausschaltung des langweiligen und langwierigen offiziellen Interpol-Weges - in Einzelfällen aus verständlichen Gründen nicht an die große Glocke gehängt wird. Die Grundeigenschaft des Vollblutkriminalers, der Drang, um jeden Preis recht zu behalten, ist der rote Faden, der durch die Handlung geht. Die klischeehafte Liebesgeschichte tritt damit in den Hintergrund, was bestimmt kein Nachteil für die Gesamtsendung ist.
ARD-Krimi:1000. Folge "Tatort": Liebesgrüße an Tarantino
"Taxi nach Leipzig" ist ein spannendes, manchmal skurriles Kammerspiel. Der Krimi zeigt, dass im Laufe der Jahre nicht alles nur schlechter geworden ist.
Anders als andere Leinwandkommissare atmet der große Charakterdarsteller Walter Richter Leben und nicht Literatur aus. Man spürt förmlich Einheitslaufbahn und Gehaltsgruppe A 12. Richter spielt den klassischen Kriminaltaktiker, der, innerlich unberührt, Schwächlinge zu dem berühmten Punkt treibt, wo sie sich gezwungen fühlen, ihr Herz auszuschütten. Paul Albert Krumm verkörpert den Kindsvater und Mörder so überzeugend, dass man eine nicht gezeigte Schlussszene fast vor Augen hat. Der Inhaftierte im Gespräch mit seinem Anwalt, die Höhe der Kaution für Freilassung aushandelnd.
Zugusten des Tatort-Autors Friedhelm Werremeier sei angenommen, dass die Banalität seiner Liebesdialoge den Realismus erhöhen sollte. So ähnlich unterhalten sich die meisten Liebespaare tatsächlich, man liest's nur anders.