"Snowpiercer" auf Netflix:Vorspulen ist ratsam

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Mordfall statt Aufstand: In Snowpiercer spielt Daveed Diggs Kommissar Layton. (Foto: Justina Mintz/AP)

"Snowpiercer" ist die Serienadaption der Filmadaption einer Graphic Novel aus den Achtzigern. Und so langweilig, wie es sich anhört - bis Jennifer Connelly kommt.

Von Theresa Hein

"Es fährt ein Zug nach Nirgendwo" ist nicht nur der Titel eines Schlagers von Christian Anders. Man könnte so auch die Handlung von Snowpiercer zusammenfassen, einer französischen Graphic-Novel-Reihe (Originaltitel: Le Transperceneige) aus den Achtzigern. Die Handlung ist, wie gesagt, schnell erzählt, hier noch die Details: Die Erde ist unbewohnbar geworden und das kam so: Ein paar Genies wollten die globale Erwärmung durch künstliche Abkühlung aufhalten, das ging aber nach hinten los. Stattdessen kam eine neue Eiszeit. Nur 3000 Menschen haben es geschafft, sich vor der Außentemperatur von Minus 170 Grad in einen Zug zu retten, der seitdem in einer Dauerschleife auf Schienen um die Erde kreist. Der Zug ist aufgeteilt in erste, zweite und dritte Klasse und einen Haufen Vagabunden ohne Ticket am Ende des Zuges, die "Taillies", die der Willkür der braven Ticket lösenden Passagiere schutzlos ausgesetzt sind.

Leicht nachvollziehbar, was den Regisseur Bong Joon-ho ( Parasite) an der Geschichte so reizte, um sie vor sieben Jahren für einen Science-Fiction-Film zu adaptieren. Menschen, die sich eine neue Zivilisation auf engstem Raum schaffen müssen und denen kein besseres Gesellschaftssystem einfällt, das vermeintliche Gleichgewicht zu wahren als das, was sie seit Jahrzehnten perfektioniert haben - ein Klassensystem. Bong Joon-ho schaffte mit seinem Film Snowpiercer eine überzeugendes Endzeitszenario einer sich selbst abschaffenden Spezies. Das, was durch die Graphic-Novel-Vorlage plakativ angelegt war, glich er mit überspitzten Details, einem Vorzeigecast aus Tilda Swinton und Song Kang-ho und gepfefferter, bis ins satirische reichende Kapitalismuskritik aus. Ein Wahnsinnsfilm, von dem man nach dem Anschauen nicht wusste, ob er nun total bescheuert war oder brillant (vermutlich ist er beides).

Weil eine Revolution nicht reicht, muss ein Mordfall her

Aber weil man jede Sau mehr als ein Mal schlachten kann, gibt es nun eine Netflix-Serie zu "Snowpiercer" und man hofft, dass Bong Joon-ho die inhärente Ironie der Netflix-Neuauflage einer Kapitalismuskritik-Story bewusst ist. Ist sie vermutlich, denn er fungiert als ausführender Produzent. Josh Friedman and Graeme Manson, die die Serie entwickelt haben, haben sich von Bong allerdings nur die Rahmenhandlung geschnappt, das heißt: das mit dem Zug nach Nirgendwo. Weil ein Aufstand für den Fernsehzuschauer wohl nicht spannend genug war, wird in der Serienadaption von "Snowpiercer" kurzerhand ein Mordfall gelöst. Aufklärung soll der ehemalige Kommissar Andre Layton (Daveed Diggs) aus dem Endteil des Zuges bringen, der natürlich in den vorderen Klassen auch noch auf seine Verflossene trifft. Und ja, das ist alles genauso, wie es sich anhört.

Aber dann kommt Jennifer Connelly als Melanie Cavill und rettet die netflixende Menschheit vor einer weiteren bräsigen Science-Fiction Serie. Cavill entpuppt sich im Verlauf der Serie als viel mehr als die türkisgrün uniformierte Ansagerin des Zuges, vor allem ist sie ein ganz und gar unheimliches Ass im faltigen Drehbuchautorenärmel. Die Figur trifft alles andere als sympathische Entscheidungen, Jennifer Connellys Mimik während ihrer Gewissenskonflikte überzeugt die Zuschauer davon, dass es nicht so einfach sein kann, einen Zug, der seit sieben Jahren um die Erde rast, im Gleichgewicht zu halten. Wer vorspult zu den Szenen mit Connelly, ist gut beraten. Und hat dann auch genug gesehen.

Snowpiercer, bei Netflix*

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