Schweden:Schock mit Ansage

Lesezeit: 3 min

"Wir wussten, dass wir in einer schwierigen Lage sind": Die Stampen-Zeitungen müssen um ihre Zukunft fürchten. (Foto: Stampen Media Group )

Stampen, einer der wichtigsten Zeitungskonzerne Schwedens, hat Anfang der Woche Insolvenzantrag gestellt.

Von Silke Bigalke

Er wollte viel und hat sich übernommen. Nun kann der schwedische Medienkonzern Stampen seine Schulden nicht mehr zahlen. Das Unternehmen, dem unter anderem 14 Tages- und Gratiszeitungen an Schwedens Westküste gehören, hat Anfang der Woche Antrag auf "Unternehmensrekonstruktion" beim zuständigen Amtsgericht gestellt. Diese Form des schwedischen Insolvenzverfahrens zielt darauf ab, das Unternehmen zu erhalten und einen Konkurs zu verhindern. Ausstehende Rechnungen bezahlt das Unternehmen erst mal nicht, den Betrieb lässt es normal weiterlaufen. Das Verfahren verschafft ihm Zeit.

Stampen ist einer der größten Zeitungskonzerne Schwedens, in den vergangenen zehn Jahren ist er tüchtig gewachsen. Sein wichtigstes Blatt ist seit jeher die liberale Göteborgs-Posten mit der zweithöchsten Auflage unter den schwedischen Abo-Tageszeitungen. Seit 2005 hat Stampen zugekauft. Die Expansion begann mit einigen Lokalzeitungen, die Stampen der schwedischen liberal-bäuerlichen Zentrumspartei für 1,8 Milliarden Kronen (etwa 194 Millionen Euro) abnahm. "Wir bei Stampen haben früh eingesehen, dass die Digitalisierung und das Netz einen immer härteren Wettbewerb schaffen würden", schrieb Miteigentümer und Vorstandsvorsitzender Peter Hjörne nach dem Insolvenzantrag in der Göteborgs-Posten. Um diesem Wettbewerb zu begegnen, habe man auf Akquirierung gesetzt und weitere Zeitungen und Druckereien gekauft, um Synergien zu schaffen. Das Problem dabei sei gewesen, dass Stampen schon sehr früh gekauft und deswegen hohe Preise gezahlt hätte, während spätere Fusionen "billiger" gewesen wären. Mit anderen Worten: Die Investitionen liefen ungünstiger als gedacht.

Das Unternehmen ist durch Zukäufe hoch verschuldet. Dabei sollten diese die Zukunft sichern

Hjörnes Familie ist seit fast hundert Jahren mit der Göteborg-Posten und später mit Stampen verbunden, als Journalisten, Herausgeber und Eigentümer. Eine Mitteilung auf der Konzernseite nennt nicht nur die Veränderungen in der Branche als Ursache für die Krise - dass weniger Menschen Zeitungen abonnieren und Werbeeinnahmen sinken. Für Stampen sei der Strukturwandel ein besonderes Problem, weil man zwischen 2005 und 2012 vor allem mit geliehenem Geld andere Zeitungen und digitale Unternehmen gekauft habe.

Der Antrag beim Amtsgericht bedeutet, dass Stampen offene Rechnungen aus der Zeit vor dem Antrag zunächst nicht bezahlt. Es gibt eine Art Insolvenz-Verwalter, der allerdings nicht die Unternehmensleitung übernimmt, sondern gemeinsam mit dieser einen Sanierungsplan erarbeitet. Die Unternehmen der Gruppe schrieben schwarze Zahlen, sagte Stampen-Geschäftsführer Martin Alsander. "Sie verdienen Geld, und deswegen bin ich ganz optimistisch." Das Problem seien die Schulden. Von Jobabbau war nicht die Rede, es hatte bereits in den vergangenen drei Jahren Entlassungen gegeben. Es sei kein neues Sparprogramm geplant und die Löhne würden wie gewohnt gezahlt, so Alsander. Ausstehende Honorare für freie Mitarbeiter werden allerdings wohl eingefroren, so wie alle offenen Rechnungen.

2013 verzeichnete das Unternehmen einen Rekordverlust, 2014 reagiert man darauf mit einer neuen Unternehmensführung und neuer Strategie. Seither hat Stampen nach eigenen Angaben eine halbe Milliarde Kronen Bankschulden zurückbezahlt, bereits zehn Unternehmen verkauft und unter anderem die Kosten am Hauptstandort halbiert. 2015 habe Stampen einen operativen Gewinn von 153 Millionen Kronen (16 Millionen Euro) erwirtschaftet - eine deutliche Verbesserung zu den 406 Millionen (43 Millionen Euro) Verlust im Jahr davor, heißt es in der Erklärung des Konzerns. Aber es hat eben angesichts der Schuldenlast nicht gereicht.

Für die Stampen Media Group arbeiten heute nach Unternehmensangaben 3000 Menschen, die Gruppe hat im vergangenen Jahr 3,3 Milliarden Kronen (etwa 353 Millionen Euro) umgesetzt. Druckereien und Vertriebsfirmen gehören ebenfalls zu den insgesamt 35 Unternehmen.

Gabriella Mohoff, Leiterin des Journalistenklubs - einer Art Redaktionsausschuss - bei Göteborgs-Posten, sagte der Tageszeitung Dagens Nyheter, es sei etwas schockierend, aber vielleicht nicht ganz unerwartet, dass so etwas passieren würde. "Wir wussten, dass wir in einer schwierigen Lage sind." Auch Kulturministerin Alice Bah Kuhnke sagte, für sie komme der Schritt nicht überraschend, dennoch sei sie besorgt. Im Fall Stampen seien Unternehmensleitung und Eigentümer dafür das verantwortlich, was nun passiere. In einem veränderten Medienklima bräuchte man jedoch auch eine neue Medienpolitik. Viele Unternehmen hätten zu kämpfen, so Kuhnke. Dabei ist der Anteil der Zeitungsleser in Schweden hoch: 44 Prozent lesen einer Studie der Internet Infrastructure Foundation von 2014 zufolge eine Tageszeitung auf Papier; 32 Prozent lesen eine Zeitung auf Papier und im Netz, nur 14 Prozent lesen keine Tageszeitung.

Insolvenzverwalter Christian Andersch, sagte der Tageszeitung Svenska Dagbladet, Stampen habe gute Chancen, wieder auf die Beine zu kommen. Allerdings wollte er nicht ausschließen, dass es doch noch zum Konkurs kommen könnte. Eine erste Gläubigerversammlung im Insolvenzfall Stampen soll am 20. Juni stattfinden.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: