Schluss mit "Tatort":Warum Sibel Kekilli den Dienst quittiert

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Von der Randfigur zum Publikumsliebling: Sibel Kekilli 2010 bei ihrem ersten Auftritt im Kieler Tatort "Borowski und eine Frage von reinem Geschmack". (Foto: Marion von der Mehden/NDR)

Nach sieben Jahren beendet die Schauspielerin ihre Laufbahn als "Tatort"-Kommissarin in Kiel. Ihre Rolle bei "Game of Thrones" hat sie verändert.

Von Susanne Hermanski

Eine Rückkehr ist ausgeschlossen", sagt Sibel Kekilli, so gern sie die Rolle der Sarah Brandt auch gespielt habe. Aber jetzt, nach sieben Jahren mit dieser Figur, sei es an der Zeit, ihr Lebewohl zu sagen. Dass Schauspieler freiwillig aus dem Tatort aussteigen, ist selten. Viele betrachten eine Rolle als TV-Kommissar als sehr langfristiges Engagement, fast so, als wären sie wirklich zur Polizei gegangen, nicht zum Film, Beamtenstatus inklusive.

Das wirklich Bemerkenswerte aber ist, dass sich die Öffentlichkeit derart interessiert für diesen Ausstieg. Im Fall von Sibel Kekilli sind es nicht nur hartgesottene Fans und neidische Kollegen, die über diesen Abschied reden. Ihr Verlassen der Lieblingskrimireihe der Deutschen taugt offenbar auch zu einer gesellschaftlichen Bestandsaufnahme, in der gefragt wird: Wie weit sind wir denn gekommen in Sachen "selbstverständlicher Umgang mit jungen Deutschen, die Migrationshintergrund haben"?

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Denn dass die in Heilbronn als Kind türkischer Eltern geborene Kekilli 2010 nicht etwa als Aishe Aydin, sondern mit dem deutschen Namen "Sarah Brandt" von der NDR-Redaktion und deren Autoren ins Tatort-Team aufgenommen worden war, hatte damals begeisterte Kommentare ausgelöst. Es war als kluge Geste des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gefeiert worden, als gesellschaftlich wichtige Botschaft und zudem als angemessene Reaktion darauf, dass die doppelte Preisträgerin des Deutschen Filmpreises beim Abholen der zweiten Trophäe gerufen hatte: "Ich bin an guten Stoffen interessiert. Ich will arbeiten!"

Sie habe es damals durchaus toll gefunden, in allen deutschen Wohnzimmern angekommen zu sein, erinnert sich Sibel Kekilli. Aber die Journalisten hätten das Ganze damals doch für viel wichtiger erachtet als sie selbst. Einer fragte sogar, ob sie jetzt aus Prinzip nie wieder eine Türkin spielen werde. Mit der Rolle einer jungen Deutschtürkin, die gegen ihr traditionelles türkisches Elternhaus rebelliert, hatte Sibel Kekillis Karriere in Fatih Akins Drama Gegen die Wand 2004 begonnen. Und dass sie mit der Wahl des Schauspielerberufs selbst gegen ihr eigenes Elternhaus rebellierte, war ausgiebig öffentlich diskutiert worden.

Der Darknet-"Tatort" am Sonntag ist eine prima Bühne für Kekilli und gehört zu ihren Favoriten

Jetzt hat sie fast sieben Jahre lang die Rolle des Computer-Wunderfräuleins Brandt gespielt. Ihr Kollege Mehmet Kurtuluş, der mit einem anderen Film von Fatih Akin , Kurz und schmerzlos, bekannt geworden war, hatte sich nur von 2008 bis 2011 über sechs Folgen halten können - als verdeckter Ermittler Cenk Batu in Hamburg. Wenn Sibel Kekilli am Sonntag wieder im Kieler Tatort an der Seite von Axel Milberg steht, wird das ihr 13. und vorletzter Auftritt als Sarah Brandt sein. "Borowski und das dunkle Netz" führt die beiden Ermittler in die Abgründe des Darknet. Das ist eine prima Bühne für die Ex-Hackerin Brandt, und für Kekilli "einer der besten Tatorte", die sie gedreht hat. Doch der vierzehnte und letzte, der dann im Mai ausgestrahlt wird, der werde wohl richtig "polarisieren". Und das liebt die 36-Jährige mit der zarten Gestalt. Deshalb sei ihre Lieblingsfolge bislang auch der erste Teil von "Der stille Gast", in dem Lars Eidinger einen bizarren Serienkiller spielt, der am Ende entwischt. "Auch wenn die Leute sich darüber aufgeregt haben - es muss doch nicht immer alles bis zum Letzten auserzählt sein", sagt sie. "Da frage ich mich schon manchmal, ob dieses Drängen auf einen eindeutigen Schluss typisch deutsch sein könnte?"

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Dass Sibel Kekilli aufhören könnte, wurde schon länger gemunkelt. Schließlich hatte sie international Erfolg mit der amerikanischen Fantasyserie Game of Thrones. Darin spielte sie als Konkubine Shea eine Rolle, die zwar nicht gerade gesellschaftlich revolutionär war, die bei Kekilli aber doch einiges verändert hat. Sie hatte an den Produktionsbedingungen Marke Hollywood Gefallen gefunden, und das nicht nur, weil diese luxuriöser sind: "Es war schon etwas Besonderes, für den Sender HBO zu arbeiten. Sie haben von ihrem Erfolg den 'Talents' immer etwas zurückgegeben. Und das Angenehmste war, dass immer die gleichen Autoren an den Drehbüchern gearbeitet haben", sagt sie. "Das war beim Tatort leider nicht immer so. Da kamen immer wieder neue Autoren dazu, und man stellte dann fest, dass die Rolle Züge bekommt, die sie vorher nicht hatte."

Kekilli ist wachsam, lässt sich aber von Beschimpfungen und Drohungen nicht verrückt machen

Über einen Mangel an gesellschaftlich relevanten Themen wird sich Sibel Kekilli auch in Zukunft nicht beklagen müssen. Mitte März hat sie dank ihres Engagements für die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes das Verdienstkreuz am Bande bekommen. Immer wieder hat sie sich eingemischt, wenn es um seelische und körperliche Gewalt in muslimischen Familien oder gar um sogenannte Ehrenmorde geht. Angefeindet werde sie dafür und für ihre politischen Äußerungen über die Entwicklungen in der Türkei immer wieder: "Man darf sich nicht verrückt machen lassen von Beschimpfungen, Anfeindungen oder Drohungen", sagt sie. Aber man müsse die Augen aufhalten, wo und wie man sich gefahrlos bewegen könne.

Sibel Kekilli lebt in Hamburg, doch in der nächsten Zeit wird sie viel unterwegs sein. Was sie drehen wird, darf sie zum Teil noch nicht verraten. Auf alle Fälle sind der Episodenfilm Berlin, I Love You fürs Kino und ein deutsch-finnisches Fernsehprojekt darunter, das an internationalen Schauplätzen spielt. Ihre Fans will sie aber in einer Beziehung doch nicht auf die Folter spannen. "Es wird kein großes, theatralisches Ende von Sarah Brandt geben", sagt sie. "Ich wollte keine Abschlussfolge. Wie gesagt, es muss ja nicht immer alles zu Ende erzählt werden."

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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