Satire:Mit Ansage

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"Was jetzt kommt, darf man nicht machen", sagte Jan Böhmermann vor seinem Schmähgedicht im ZDF. (Foto: ZDF/Ben Knabe)

Mit einem beleidigenden Gedicht gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte ZDF-Moderator Jan Böhmermann die Grenzen der Meinungsfreiheit erklären wollen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Von Karoline Meta Beisel

Wenn es Jan Böhmermann bei seiner neuesten Aktion darum gegangen sein sollte, möglichst große Aufregung zu verursachen, dann dürfte er jetzt irgendwo sitzen und zufrieden lächeln. Nach seinem Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat die Mainzer Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es werde wegen des Verdachts der Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten ermittelt, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller der dpa am Mittwoch mit und bestätigte so einen Bericht von Spiegel online. Etwa 20 Privatpersonen hätten Anzeige erstattet.

Böhmermann hatte das Gedicht mit Formulierungen, die deutlich unter die Gürtellinie zielen und von einigen Zuschauern als rassistisch empfunden worden waren, erstmals in der Nacht zum Freitag in seiner Sendung Neo Magazin Royale auf ZDF Neo vorgetragen, die türkische Übersetzung wurde in Untertiteln eingeblendet. Er reagierte damit auf die Einbestellung des deutschen Botschafters in der Türkei wegen einer Satire der NDR-Sendung extra3.

In seiner Show hatte Böhmermann erklärt, er wolle mit dem Gedicht den Unterschied zwischen erlaubter Meinungsäußerung und verbotener Schmähkritik verdeutlichen: Wenn nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Verunglimpfung der Person im Vordergrund steht, ist diese dem Bundesverfassungsgericht zufolge nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt. "Was jetzt kommt, darf man nicht machen", hatte Böhmermann sein Gedicht denn auch eingeleitet.

Das ZDF entfernte die Passage später aus der Mediathek und den Wiederholungen: Sie genüge nicht den Qualitätsansprüchen, die der Sender an Satire stelle.

Dass der Moderator sich wahrscheinlich wirklich strafbar gemacht hat, zu diesem Schluss war einem Bericht des Tagesspiegel zufolge bereits das Auswärtige Amt gekommen. Noch vor dem Telefonat von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Premierminister am Sonntag soll das Ministerium die juristische Prüfung in Auftrag gegeben haben.

Jetzt also muss die Staatsanwaltschaft sich mit dem Gedicht auseinandersetzen. Auf die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes stehen Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft. Eine Bestrafung kommt aber nur dann in Betracht, wenn auch die türkische Regierung die Strafverfolgung verlangt - die Anzeige von Privatpersonen reicht dafür nicht. Eine entsprechende Anfrage habe man beim Justizministerium bereits gestellt, wird Oberstaatsanwältin Keller bei Spiegel Online zitiert

© SZ vom 07.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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