Pressefreiheit in Lateinamerika:Journalisten unerwünscht

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In Lateinamerika sollen Journalisten nicht schreiben, was ist. Tun sie es doch, riskieren sie ihr Leben. Wie Lokalreporter Gregorio Jiménez in Mexiko oder Santiago Andrade, der im Zentrum der Traumstadt Rio starb wie auf einem Schlachtfeld.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

Gregorio Jiménez verschwand vor einer Woche, die Mörder zerrten ihn vor den Augen seiner Familie aus dem Haus. "Gregorio, wir warten auf dich!", flehten Freunde und Kollegen nachher auf Spruchbändern. Auch auf Facebook und Twitter begann die Suche nach dem mexikanischen Lokalreporter aus dem Süden von Veracruz. Doch am Dienstag wurde Jiménez in einer Grube gefunden, neben zwei anderen Leichen. Die mutmaßlichen Täter: Auftragskiller.

Santiago Andrade starb am vergangenen Donnerstag in Rio de Janeiro, er fiel im Zentrum der brasilianischen Traumstadt wie auf einem Schlachtfeld. Ein - wie Filmaufnahmen belegen - zielgerichtet abgeschossener Feuerwerkskörper traf den Kameramann des Fernsehsenders Bandeirantes am Kopf, als er Proteste gegen Tariferhöhungen im Nahverkehr filmen wollte. Im Krankenhaus erlag Familienvater Andrade, 49, seinen Schädelverletzungen. Der mutmaßliche Täter: ein Demonstrant.

Beide Opfer sind nun weitere Beispiele für die Gewalt gegen Berichterstatter in Lateinamerika, wobei der eine Fall mit dem anderen wenig zu tun hat. Der Mexikaner Jiménez ist binnen weniger Jahre bereits der 70. bis 80. tote Journalist des Landes, in dem sich Armee, Polizei und Drogenkartelle bekriegen. Viele Medien beschränken sich aus Selbstschutz längst auf offizielle Meldungen, bedroht von Verbrechern und Behörden. Bei Jiménez heißt es jetzt auch, eine Nachbarin habe ihn umbringen wollen. Oft sind Morde an Chronisten in solchen Revieren persönliche Rache, aber vor allem gedacht als grausige Warnung an die gesamte Branche.

Mitten in einer umschwärmten Metropole

In Brasilien leben Rechercheure ebenfalls riskant. Manchmal genügt es schon, zur falschen Zeit am falschen Platz zu sein. Wie kürzlich Santiago Andrade, den diese selbstgemachte Rakete aus dem Leben schoss. Auch eine Minderheit brasilianischer Protestierer ist brutal und die Militärpolizei ebenso, ein Mitarbeiter der Deutschen Welle wurde während einer Kundgebung in Rio von einem Polizisten geschlagen. Mitten in der umschwärmten Metropole, die in diesem Juli das Finale der Fußball-WM ausrichtet und 2016 die Olympischen Sommerspiele.

Alles zusammen macht weite Teile Lateinamerikas zu einem der gefährlichsten Arbeitsplätze für Berichterstatter. Auch in Kolumbien, Guatemala, Honduras oder El Salvador sind die Feinde der Wahrheit zahlreich und skrupellos. Und bei kritischen Blättern reicht es bereits, den Grundstoff knapp zu machen: Papier.

In Venezuela droht oppositionellen Gazetten wie El Nacional das Zeitungspapier auszugehen. Es muss für Dollarpreise importiert werden, die sozialistische Regierung von Nicolás Maduro bremst die Einfuhr. Am Dienstag gingen Redakteure, Drucker und Gewerkschaften deshalb in Caracas auf die Straße. "Venezuelas Presse liegt im Sterben", stand auf Plakaten. "Ohne Papier gibt es keine Zeitungen." Ohne Journalisten auch nicht.

© SZ vom 13.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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