Pressefreiheit:Gegen Kritiker

"Das ist ein Massaker an der freien Meinungsäußerung", sagen palästinensische Journalisten: Ein Gericht in Ramallah hat 59 palästinensische Online-Medien und Nachrichten-Seiten auf Facebook blockiert.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Das Syndikat der palästinensischen Journalisten wählte drastische Worte: "Das ist ein Massaker an der freien Meinungsäußerung", erklärte die Vereinigung. Ein Gericht in Ramallah hatte entschieden, dass 59 Online-Medien und Facebook-Seiten, die sich mit Nachrichten beschäftigen, blockiert werden müssen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft haben sie sich schuldig gemacht, indem sie "die Symbole der Palästinensischen Autonomiebehörde angegriffen und verunglimpft" hätten und "Inhalte veröffentlicht haben, die die nationale Sicherheit und die ihrer Bürger bedroht".

Auffällig ist, dass die betroffenen Medien eines gemeinsam haben: Sie alle stehen der palästinensischen Autonomiebehörde und Präsident Mahmud Abbas kritisch gegenüber. Manche unterstützen die radikalislamische Hamas, die im Gazastreifen regiert und mit Abbas' Partei Fatah verfeindet ist. Einige der Medien äußerten sich auch positiv über Mohammed Dahlan, einen im Exil lebenden Rivalen von Abbas.

Unter den von der Entscheidung beeinträchtigten Medien ist die Shehab Nachrichtenagentur, die im Gazastreifen ihren Sitz hat und auf Facebook auf 7,5 Millionen Follower kommt. Auch das Quds-Netzwerk mit 6,6 Millionen Followern ist betroffen. Das Verdikt bezieht sich auch auf populäre Facebook-Seiten wie Arab 48, Ultra Palestine, PalAbroad und Al-Majd, die vielen Palästinensern als Nachrichtenquelle dienen und die nicht alle eine eigene Website haben.

Professionellen und moralischen Standards folgen

Die Pressefreiheitsorganisationen Reporter ohne Grenzen und International Press Institute kritisierten die Entscheidung. "Diese unakzeptable Maßnahme scheint darauf ausgerichtet zu sein, Medien, die der Regierung kritisch gegenüber stehen, zu bestrafen. Webseiten zu blockieren ist klar ein Verstoß gegen das Recht auf Information", meint Sabrina Bennoui von Reporter ohne Grenzen. Die palästinensische Autonomiebehörde zeige damit, dass sie Medienpluralität nicht akzeptieren und Opposition eliminieren wolle. Daoud Kuttab vom Vorstand des International Press Instituts rief die Autonomiebehörde dazu auf, das Gesetz gegen Cyberkriminalität, auf das sich das Gericht beruft, zu ändern.

Ein Sprecher der Autonomiebehörde distanzierte sich von der Gerichtsentscheidung. Gleichzeitig forderte er die Betreiber von Nachrichten- und Facebook-Seiten auf, "professionellen und moralischen Standards" zu folgen.

Das Syndikat für Journalisten, die Unabhängige Kommission für Menschenrechte und die Union der Journalisten haben Einspruch gegen die Gerichtsentscheidung eingelegt. Am Mittwochnachmittag demonstrierten Dutzende Journalisten in Ramallah gegen die Einschränkung der Pressefreiheit in den palästinensischen Gebieten. Sie sehen sich immer wieder Angriffen und Schikanen ausgesetzt, häufig von beiden Seiten: von palästinensischen Vertretern und jenen der israelischen Besatzung. Bereits 2017 hatte ein palästinensisches Gericht die Sperre von elf Webseiten verfügt. Manche der damals blockierten Online-Medien sind nun erneut betroffen.

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