"Hart aber fair" zu Corona:"Man muss auf Frau hören!"

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Auch Eckart von Hirschhausen diskutiert mit Plasberg zum Thema Long Covid. (Foto: Dirk Borm/WDR)

Frank Plasbergs jüngste TV-Runde zu den Langzeitfolgen von Corona ist beileibe kein Stimmungsaufheller. Aber ein mit einer Prise Hoffnungsglitter besprenkelter sittlicher Austausch. Auch mit Hilfe von Eckart von Hirschhausen.

Von Cornelius Pollmer

Der Arzt Eckart von Hirschhausen stapft am Ende seines Films mit einer Covid-Überlebenden in die elf Grad Celsius kalte Ostsee vor Heiligendamm, oberkörperfrei. Einfach, weil es geht. Im Hintergrund läuft dazu ein Lied - "... we gotta get away from here". Damit ist der Ton gesetzt. Nach "Hirschhausen auf der Intensivstation" und "Hirschhausen als Impfproband" heißt dieser bedrückende Film über Long-Covid-Patienten: "Hirschhausen - Corona ohne Ende?" Er wird an diesem Montagabend vor Plasbergs ARD-Talkrunde "Hart aber fair" ausgestrahlt. Plasberg nimmt den Titel sehr direkt in seiner Sendung auf. "Corona und kein Ende: Wie groß ist der ganze Schaden?", heißt die Ausgabe, in der dann auch Hirschhausen Rede und Antwort stehen darf - in Hemd und Sakko allerdings.

Die Pandemie, das ist der nüchterne Ansatz von Moderator Frank Plasberg, hat für die Gesellschaft Folgen weit über die Frage hinaus, wie hoch die Impfquote derzeit ist und wo wie viele betriebsbereite Intensivbetten zur Verfügung stehen. Weil die Notabwehr schon so anstrengend ist, gerät das mitunter ja wirklich aus dem Blick: Dass der große Riesenmist Corona vielen weiteren großen Riesenmist nach sich zieht. Die Produktion von "50 Shades of Weh" läuft ja bereits auf Hochtouren.

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Neben den beklagenswert vielen Toten - nicht nur in Deutschland - gebe es, sagt Plasberg, "Menschen, denen Corona ihr Leben genommen hat, obwohl sie überlebt haben". Darum ging es in der Doku von Hirschhausen, darum geht es jetzt dem Intensivmediziner Uwe Janssens. Long Covid sei ein "Riesenproblem, das noch nicht genau definiert ist", das aber zumindest in der medizinischen Öffentlichkeit durchaus die nötige Beachtung finde. Was sich hinter dem nach gepflegter Scrabble -Langeweile klingenden Wort Langzeitfolgen konkret verbergen kann, zeigt ein Eintrag ins Gästebuch der Sendung - ein Arbeitnehmer grüßt dort aus seinem ersten Arbeitstag: nach 43 Wochen Ausfall.

Janssens berichtet von Menschen, die "erheblich gezeichnet" seien, "immobilisiert" und so fort. Und wen das Virus nicht körperlich erwischt habe, der könne psychisch und seelisch unter den Folgen der bald zwei Jahre fortdauernden Pandemie leiden. Die Journalistin Katharina Hamberger erinnert hier daran, dass es neben spezialisierten Einrichtungen zur Bewältigung von Long Covid auch an Psychotherapieplätzen fehle.

Corona, der "fucking Feind"

Langzeitfolgen gibt es darüber hinaus für die Betriebs- und Volkswirtschaft. Der Sternekoch Nelson Müller hat das zweite abgesagte Weihnachtsgeschäft in Folge zu verkraften, seine Kunden seien verunsichert, eine auch für die Bedarfs- und Belegschaftssteuerung so wichtige Langfristplanung sei im Grunde nicht möglich. Emotional noch weiter weg kommt einem der Kassensturz von Hirschhausen vor, der deswegen aber nicht falsch ist. Was sich in Folge von Corona an Millionen und Milliarden zum Beispiel in Verdienstausfällen auftürmt, das kühlt nicht nur das Konsumklima, es fehlt auch in der Rentenkasse. Es gilt das Wort einer Patientin, von der Hirschhausen berichtet und die Corona einen "fucking Feind" genannt hat.

Für Heiterkeit in der Runde sorgt immerhin die Personalie des Tages. In Karl Lauterbach habe "das Coronavirus heute seinen Angstgegner bekommen", sagt Plasberg und will von allen Gästen 9/11-mäßig wissen, wo sie denn gewesen seien, als Lauterbach benannt wurde. Uwe Janssens weiß sogar die Uhrzeit (sieben vor zehn) während sich Bremens SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte schon mal daranmacht, die Aufgabe zu vermessen: Ganz klar sei, dass selbst Karl Lauterbach das Virus nicht wegzaubern könne, er sei aber dennoch "das Beste, das uns passieren kann", es biete sich jetzt die Chance, politisch gesehen "vor die Lage zu kommen".

So öffnet sich die Tür zum letzten großen Schlechte-Laune-Brocken dieser wirklich sittlichen Runde, der Frage nach einer allgemeinen Impfpflicht. Die gängigen Argumente fliegen da durchs Studio, ein wirkliches Highlight aber wartet im Einspieler zum Thema. Darin wird eine Frau interviewt, deren Vergnüglichkeit selbst von der gut sitzenden FFP2-Maske nicht verborgen werden kann. Sie ist offenbar schon länger geimpft, ihr Mann war es lange nicht. Jetzt ist sein Auto in der Werkstatt und in der U-Bahn wird 3 G kontrolliert. Die Gattin hatte offenbar lange auf ihren Mann eingeredet, er wollte nicht hören, jetzt friert er in der Impf-Warteschlange. Ob sie das gut finde, fragt der Reporter, die Augen der Befragten leuchten - und dann sagt sie nur noch dies: "Man muss auf Frau hören!"

Cornelius Pollmer liebt Helmut Dietls Film "Late Show", besonders dessen letzte Szene. In einer von Thomas Gottschalk moderierten Talkshow zieht die Runde über deutsches Fernsehen her. Das Beste daran seien für ihn "ohnehin Tierfilme", konstatiert ein Gast - und die vis-à-vis sitzende Veronica Ferres sekundiert, "die sind so menschlich!" (Foto: N/A)
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