Nicaragua:Blaue Tinte, weiße Seiten

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Die symbolkräftige Zeitung "La Prensa" in Nicaragua kämpft ums Überleben.

Von Willi Winkler

Die Pressefreiheit, hierzulande ein gratismutiges Thema für Sonntags- oder im besten Fall für Bundestagsreden, stellt sich in Managua als Überlebensfrage. Wie die Washington Post berichtet, schneidet die Regierung von Nicaragua die oppositionelle Zeitung La Prensa ganz klassisch vom Nachschub an Druckerschwärze und Papier ab. Beim Zoll lagern demnach 92 Tonnen Papier; das Blatt musste den Umfang von 32 auf acht Seiten verringern. Im Januar blieb die Titelseite aus Protest weiß.

La Prensa gilt in Nicaragua nicht nur als Presseerzeugnis, sondern ist ein politisches Symbol. Sie wurde vor knapp hundert Jahren gegründet, wurde aber immer wieder Opfer der Zensur und konnte Monate und Jahre nicht erscheinen. In einer Zeit, als Lateinamerika sich weithin von Diktatoren knechten ließ, bekämpfte La Prensa das von den USA gestützte Somoza-Regime. Dessen Handlanger setzten der Redaktion zu. Pedro Joaquín Chamorro Cardenal, der Sohn und Nachfolger des Gründers, wurde verhaftet und gefoltert. Als er 1959 die Hilfe Fidel Castros suchte und einen Guerillazug gegen die nicaraguanische Regime organisieren wollte, brachte ihn das für Jahre ins Gefängnis.

1978 wurde er von Killern des Diktators erschossen. Dieser Tod lieferte den Zündfunken für die sandinistische Revolution, die am Ende über die Somozas triumphierte. Daniel Ortega, der Anführer der Sandinisten, genoss weltweite Anerkennung und zunächst auch die Unterstützung von Chamorros Witwe Violeta, die mit ihm im Revolutionsrat vertreten war. Bald jedoch traten Notstandsgesetze in Kraft, mit denen die Zeitungen unter staatliche Aufsicht kamen. Die USA finanzierten die Contras, die gegen die Revolutionsregierung vorgingen, als Oppositionsorgan wurde auch La Prensa aus Washington subventioniert.

Ortega stellte sich 1990 zur Wahl und verlor ausgerechnet gegen Violeta Chamorro. 2007 wurde er dann gewählt. Sein Regime wurde immer autoritärer, insbesondere seit den landesweiten Protesten vom Frühjahr 2018. Gegner werden eingesperrt oder gehen außer Landes; die Medien werden reglementiert. La Prensa hat Attentate, Erdbeben, Brandstiftungen und politische Morde überstanden, die Auflage ist auf 25 000 Stück gefallen, die Redaktion wurde verkleinert, doch sie ist laut Washington Post entschlossen, weiter über die Gewalttaten zu berichten, mit denen sich die ehemals revolutionären Sandinisten an der Macht halten. In Cyan-Blau statt in Schwarz erschien La Prensa vor Kurzem mit der Schlagzeile: "Die Druckerschwärze geht uns aus, aber an Nachrichten fehlt es nicht."

© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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