"The Playlist" auf Netflix:Die neuen Rockstars

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Immer eine Spur drüber, vor allem, wenn er über sich selbst erzählt: Martin Lorentzon (Christian Hillborg), einer der beiden Gründer von Spotify. (Foto: Netflix)

Eine Streamingserie über einen Streamingdienst: Netflix erzählt die Geschichte von Spotify - aus sechs sehr unterschiedlichen Perspektiven.

Von Stefan Fischer

Eine Streamingserie über einen Streamingdienst? Mehr Selbstbezüglichkeit war wohl selten. Diese Produktion erlaubt allerdings keine Innenschau auf Netflix, wo The Playlist zu sehen ist. Vielmehr erzählt die schwedische Miniserie in sechs Folgen die Geschichte von Spotify. Genauer: Sie erzählt sechs Varianten dieser skandinavischen Tech-Erfolgsgeschichte.

Und was für welche! In der fünften Folge etwa hält Martin Lorentzon, wunderbar überdreht gespielt von Christian Hillborg, im Radio einen Monolog, in dem er zurückblickt auf die Anfänge. Auf die Zeit, als der Musikstreamingdienst vorerst nur eine verrückte Idee von ihm und Daniel Ek (Edvin Endre) war und später dann zwar über eine technisch extrem ausgereifte Plattform verfügte, aber nicht über die notwendigen Lizenzen für die Musik. Lorentzon ist der Mann, der das meiste Geld gegeben hatte für die Entwicklung von Spotify. Als er nun vor dem Mikrofon beinahe zu Ende geredet hat, entgegnet ihm die Radiojournalistin: "Das war die Hollywood-Version." Die glatt geschliffene Variante also, "in der es nur Helden gibt".

Das letzte Wort hat immer ein anderer, und es läuft immer darauf hinaus: "So war es nicht."

Smart an The Playlist ist, dass sich diese sechs Versionen, die allesamt Hollywood-Fassungen sind, gegenseitig torpedieren. Vor Lorentzon standen bereits erst der Tech-Visionär Daniel Ek, dann Per Sundin, Chef von Sony Schweden und damit Vertreter der alten Musikindustrie, des Weiteren die Juristin Petra Hansson sowie der Chefprogrammierer Andreas Ehn im Zentrum je einer Episode. Im Finale ist es die Musikerin Bobby T. Alle haben sie in der jeweils vorhergehenden Folge das letzte Wort und sagen Dinge wie: "So war es nicht." Oder: "Habt ihr mich vergessen?" Und dann legen sie los.

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Immer wieder begegnet man als Zuschauer Szenen, die man bereits gesehen hat. Jedenfalls so ähnlich. Aber entweder hat derjenige, der sie zuerst erzählt hat, etwas weggelassen oder erinnert sich anders an den Wortlaut eines Gesprächs. Welche Fassung ist korrekt? Eine? Keine? Alle?

Der Regisseur Per-Olav Sørensen und die Autoren Sofie und Tove Forsman schicken ihre Figuren und gleichermaßen ihr Publikum stets aufs Neue in den Maschinenraum dieser Geschichte. The Playlist spielt weitgehend in Kellern, Konferenzräumen und auf Fluren, die ebenfalls aussehen, als wären sie nur Varianten des immer gleichen langen Ganges. Und dort überall, an diesen nüchternen, funktionalen Orten, wird der Geschichte ihr Glamour so lange ausgetrieben, bis darin kein Platz mehr ist für all die Mythen, die eine solche gigantische unternehmerische Erfolgsgeschichte gemeinhin umwehen.

Am Ende gibt es nur noch den Menschen, sein Ego, seine Schwächen, seine Stärken

Übrig bleiben schließlich nur die handelnden Personen. Entblößt bis auf ihre Macken und irren Träume. Auf ihre Egos und ihre Schwächen. Zugleich werden ihre größten Stärken unverstellt sichtbar. Und das sind nicht ihre Fähigkeiten im Programmieren, im Verhandeln oder im Vermarkten. Vielmehr zeichnen sie vor allem ihr Vertrauen, ihre Entschlossenheit, ihr Mut, ihre Haltung aus. Auf ihre Weise sind alle sechs Varianten wahr. Deshalb muss es beinahe zwangsläufig zu tiefen Enttäuschungen und radikalen Brüchen kommen. Ob das etwas mit den tatsächlichen Ereignissen zu tun hat? Das ist noch einmal eine andere Frage.

The Playlist, Netflix.

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